Die rätselhaften Schüsse von Stockholm Der Mord an Olof Palme
27.02.2011, 13:09 UhrAuch nach 25 Jahren bleibt die Ermordung des Ministerpräsidenten Olof Palme in Schweden eine offene Wunde. Obwohl mehr als 130 Menschen das Attentat gestanden haben, wurde nie ein Täter rechtskräftig verurteilt. Aber die Ermittlungen laufen weiter.
Am Montag hätten die Akten des wohl spektakulärsten Mordfalls in der schwedischen Geschichte eigentlich geschlossen werden können. Genau 25 Jahre nach den tödlichen Schüssen auf Ministerpräsident Olof Palme wäre die Tat verjährt - hätte Schweden nicht vergangenes Jahr die Verjährungsfrist gestrichen. "Es ist so lange her", sagt Joakim Palme, der 27 war, als sein Vater auf offener Straße in Stockholm niedergestreckt wurde. "Zugleich erscheint mir die Tat immer noch sehr nah." So geht es vielen Schweden: Der ungeklärte Fall bleibt eine offene Wunde.
Umstrittene Gegenüberstellung
"Es ist sehr schwierig, dass es niemals einen juristischen Schlusspunkt gegeben hat", sagt Palme. Nach einer umstrittenen Gegenüberstellung fast drei Jahre nach der Tat hatte Olof Palmes Witwe einen drogenabhängigen Kleinkriminellen als Täter identifiziert. Christer Pettersson wurde im Juli 1989 verurteilt, in der nächsten Instanz allerdings aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Seitdem gingen Hunderttausende Hinweise bei den Ermittlern ein, immer neue Spekulationen über die Hintermänner machten die Runde. 130 Menschen hätten den Mord an Palme gestanden, sagt Stig Edqvist, der die Ermittlungen seit 14 Jahren leitet. Doch niemand habe das auch plausibel machen können. Die Tatwaffe ist bis heute nicht aufgetaucht.
Die Akten über den Fall Palme füllen 225 Regalmeter im Stockholmer Polizeihauptquartier. 3600 Ordner wurden angelegt. Noch immer gingen jede Woche eine Handvoll Hinweise ein, sagt Chefermittler Edqvist. "Wir müssen realistisch sein. Nach 25 Jahren ist so ein Fall natürlich schwer aufzuklären. Aber ich hoffe noch immer, wir schaffen das." Andere sind pessimistischer. "Nach 25 Jahren Ermittlungen wissen wir praktisch nichts", sagt der Journalist Gunnar Wall, der zwei Bücher über den Mordfall geschrieben hat.
Ein ganzes Land unter Schock
Olof Palme war ohne Polizeischutz unterwegs, als er am Abend des 28. Februar 1986 mit zwei gezielten Schüssen aus nächster Nähe niedergestreckt wurde. Der sozialdemokratische Ministerpräsident war mit seiner Frau nach einem spontanen Kinobesuch auf dem Weg nach Hause. Auch seine Frau wurde verletzt.

Für die meisten Schweden ist Christer Pettersson der Mörder. Er starb 2004.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Die Tat versetzte das ganze Land so sehr in Schock, dass es danach oft hieß, Schweden habe mit dem Mord seine Unschuld verloren. "Die Tat hat die Art verändert, wie wir Politiker wahrnehmen", sagt Jens Orback, der Vorsitzende des Internationalen Olof-Palme-Zentrums in Stockholm. "Palme hatte einmal gesagt, er wolle wie alle anderen auch im Telefonbuch stehen und mit den Menschen ohne Bodyguards in Kontakt treten. Aber wir haben gelernt, dass das nicht immer geht." Das Trauma wiederholte sich, als die populäre schwedische Außenministerin Anna Lindh 2003 beim Einkaufen niedergestochen wurde - auch sie war ohne Personenschützer unterwegs.
"Vieles ging schief"
"Eine gewisse Unschuld ist verloren gegangen", sagt auch der Journalist Wall. Die Menschen erwarteten heute weniger von der Polizei und den Gerichten. Die Ermittlungen im Fall Palme waren von Anfang an mit Fehlern behaftet. "Vieles ging schief", räumt Edqvist ein. "Die Regierung hatte vermutlich Angst, sensible Informationen würden an die Öffentlichkeit gelangen", sagt Edqvist. "Palme war schließlich sehr umstritten damals."
Der einstige Linksaktivist Palme hatte Washington mit seiner Kritik am Vietnam-Krieg verärgert. Er unterstützte kommunistische Regierungen in Kuba und Nicaragua, sprach sich gegen Apartheid und Atomkraft aus und befürwortete die Umverteilung von Vermögen. Hinter dem Mord vermuteten die Ermittler unterschiedliche Gruppen wie die türkische PKK, das schwedische Militär oder den südafrikanischen Geheimdienst.
Palmes Familie dagegen glaubt weiterhin, den Täter zu kennen. "Ich bin ohne ernsthaften Zweifel überzeugt, dass es Pettersson war", sagt Joakim Palme. Ob der vorbestrafte Alkoholiker tatsächlich geschossen hat, wird sich vielleicht niemals klären lassen - Pettersson ist seit sieben Jahren tot.
Quelle: ntv.de, Nina Larson, AFP