Kriegsgefahr in der Ukraine Kerry: "Wir sind bereit, zu handeln"
24.04.2014, 22:28 Uhr
Überall im Land kommt es zu Zusammenstößen zwischen der ukrainischen Armee und Separatisten.
(Foto: REUTERS)
Steht die Ukraine vor einem Krieg? Der russische Verteidigungsminister warnt vor einer "Kriegsmaschinerie", die zu zahlreichen Toten führen könne. US-Außenminister Kerry wirft Russland Sabotage vor und droht mit Konsequenzen. Polen als westlicher Nachbar der Ukraine ist auf "kritische Entwicklungen" vorbereitet.
Politiker aus aller Welt warnen vor dem Ausbruch eines Krieges in der Ukraine. Nachdem Russland zur Demonstration seiner militärischen Stärke Manöver an der Grenze zur Ukraine abhält und im Osten des Landes bei einzelnen Scharmützeln mehrere prorussische Separatisten getötet worden sind, verschärft sich die Rhetorik auf beiden Seiten deutlich.
Aus der Ostukraine twittert n-tv Korrespondent Dirk Emmerich, der in der Region unterwegs ist.
"Es wurde damit begonnen, Waffen gegen friedliche Bürger ihres eigenen Landes einzusetzen. Wenn diese Kriegsmaschinerie nicht heute gestoppt wird, dann wird sie zu zahlreichen Toten und Verwundeten führen", warnte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Seinen Angaben nach hat Kiew 11.000 Soldaten mit 160 Panzern und 230 gepanzerten Fahrzeugen in den Osten des Landes entsandt. Auch Einheiten der Nationalgarde und rechtsradikale Paramilitärs seien im Einsatz. Die prorussischen Milizen hätten dagegen 2000 Freiwillige mit rund hundert Maschinengewehren.
Der ukrainische Interimspräsident Oleksander Turtschinow sagte bei einer Ansprache an die Nation im Fernsehen, die Regierung werde "vor der terroristischen Bedrohung nicht weichen". "Wir fordern Russland auf, sich nicht länger in unsere inneren Angelegenheiten einzumischen, die Erpressungen und Drohungen zu beenden und seine Truppen von der Ostgrenze der Ukraine abzuziehen", sagte Turtschinow. Er warf Moskau vor, offen "Mörder und Terroristen" zu unterstützen.
Kerry warnt vor "schwerem Fehler"
Die USA beschuldigen Russland indes, den Genfer Friedensplan zu missachten. Nur die ukrainische Übergangsregierung habe sich bislang an das vor einer Woche vereinbarte Abkommen gehalten, sagte Außenminister JohncKerry. Er beschuldigte Moskau, das Nachbarland unter anderem durch "grobe Einschüchterung von außen" weiter zu destabilisieren. Kerry warnte Russland vor einem "schweren Fehler", sollte es an seinem Vorgehen nichts ändern. Die internationale Gemeinschaft werde notfalls dafür sorgen, dass die "Kosten für Russland nur noch steigen". Die Zeit für einen Kurswechsel laufe ab, warnte Kerry, und fügte hinzu: "Wir sind bereit, zu handeln."
Nicht ein einziger russischer Regierungsvertreter sei bislang vor die Kameras getreten, um die prorussischen Separatisten in der Ostukraine wie im Friedensplan vereinbart zur Niederlegung ihrer Waffen zu bewegen, sagte Kerry. Mit dem "Lauf eines Gewehrs und der Gewalt eines Mobs" wolle Russland stattdessen Chaos erzeugen und einen legitimen politischen Prozess aufhalten. "Niemand sollte daran zweifeln, dass Russland hier seine Hand im Spiel hat."
Den vom Kreml finanzierten Fernsehsender RT (Russia Today) nannte Kerry ein "Propaganda-Megafon", das die "Fantasien" von Präsident Wladimir Putin fördere und die Tatsachen verfälsche. "Russland finanziert, koordiniert und schürt weiterhin eine schwer bewaffnete Bewegung von Separatisten in Donezk", erklärte Kerry. Diese seien nicht nur mit Granatwerfern und modernsten Waffen aus russischer Produktion ausgerüstet, sondern versteckten auch die Abzeichen ihrer brandneuen, identischen Militäruniformen. Die von ihnen gesprochenen Dialekte stammten aus Gegenden, die tausende Kilometer entfernt liegen. Behauptungen der russischen Führung, dass es sich bei den Separatisten lediglich um örtliche Aktivisten handele, die für ihre legitimen Rechte kämpften, bezeichnete Kerry als "ungeheuerlich" und "absurd".
Tusk: Ist die Welt vorbereitet?
Der polnische Regierungschef Donald Tusk warnte vor einem "schwarzen Szenario in der Ukraine", auf das Europa vorbereitet sein müsse. "Man kann nicht die Augen schließen und so tun, als sei alles in Ordnung", betonte Tusk polnischen Medienberichten zufolge. Seine Regierung habe alles getan, um Polen auf verschiedene kritische Entwicklungen vorzubereiten, sagte Tusk. Grenzschützern und Behörden treffen seit Monaten Vorbereitungen für eine mögliche Flüchtlingswelle aus dem Nachbarland. "Aber ist die Welt politisch vorbereitet auf einen Akt der Aggression oder einen Zerfall des ukrainischen Staates? Europa muss anfangen, sich vorzubereiten."
Auch der höchste Repräsentant der Vereinten Nationen, Generalsekretär Ban Ki Moon, äußerte seine tiefe Sorge um die weitere Entwicklung in dem Konflikt. Nach den jüngsten tödlichen Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine mahnte er alle Parteien zur Zurückhaltung. Bans Sprecher sagte, dieser sei "zutiefst besorgt", dass die Krise "außer Kontrolle" geraten und zu "nicht vorherzusehenden Konsequenzen" führen könnte. "Militärische Aktionen müssen um jeden Preis verhindert werden."
Quelle: ntv.de, nsc/dpa/AFP