Brüderle führt die FDP-Fraktion Rösler wird Wirtschaftsminister
10.05.2011, 17:11 Uhr
Rochade mit glücklichem Ausgang? Rösler mit Homburger nach der Fraktionssitzung.
(Foto: dpa)
Brüderle macht den Weg frei: Mit seinem Wechsel an die Spitze der FDP-Fraktion ermöglicht Brüderle dem künftigen FDP-Chef Rösler die Übernahme des Wirtschaftsministeriums. Neuer Gesundheitsminister wird der bisherige Staatssekretär Bahr. Trotz aller Kritik bleibt die bisherige Fraktionschefin Homburger aber an der Spitze der FDP.
Nach einem zähen Machtkampf versucht die FDP mit einer Rochade in der Bundesregierung und im Bundestag einen Neuanfang. Die Bundestagsfraktion wählte den 65-jährigen Rainer Brüderle mit großer Mehrheit zum neuen Fraktionschef, der damit sein Amt als Bundeswirtschaftsminister aufgeben muss. Drei Tage vor dem FDP-Parteitag sicherte sich der künftige Parteichef Philipp Rösler damit das Wirtschaftsressort, von dem er sich bessere Profilierungsmöglichkeiten verspricht. Das Gesundheitsministerium soll für ihn Daniel Bahr übernehmen, Chef des größten FDP-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen.
Bei Brüderles Wahl zeigte sich die Fraktion mit 86 Ja-Stimmen sowie je zwei Nein-Stimmen und Enthaltungen demonstrativ geschlossen. Das entspricht einer Zustimmung von 95,5 Prozent. Der Einigung im Führungsstreit ging ein zähes Ringen voran, um Fraktionschefin Birgit Homburger nach nur anderthalb Jahren im Amt zum Rückzug zu bewegen. Als Entschädigung will Rösler die 46-Jährige für das Amt der Ersten Stellvertretenden Parteivorsitzenden vorschlagen - einen Posten, den bisher Brüderle innehatte.
Rochade im Kabinett
In einer Schaltkonferenz mit dem Bundesvorstand der Partei beschloss die Fraktion nach Röslers Angaben zudem auch formell, dass Rösler das Wirtschafts- und Bahr das Gesundheitsministerium übernehmen soll. Termine für ihre Ernennung durch den Bundespräsidenten waren noch nicht bekannt. "Ziel ist es, damit alle Personaldiskussionen abzuschließen", sagte Rösler.
Mit der Kabinettsumbildung und dem Wechsel an der Fraktionsspitze kann der künftige Parteichef Rösler einen ersten Erfolg verbuchen. Der 38-Jährige erhofft sich von dem Posten des Wirtschaftsministers bessere Möglichkeiten, unbelastet von den Schwierigkeiten des Gesundheitsressorts am Profil der FDP zu arbeiten. Bisher galt Brüderle vielen in der FDP mit seinen strikten wirtschaftsliberalen Positionen als Lichtblick im Kabinett. Als Fraktionschef kommt ihm künftig die Aufgabe zu, gemeinsam mit Unions-Fraktionschef Volker Kauder die Mehrheiten und die Unterstützung für die Bundesregierung zu organisieren.
Applaus für Homburger
Die FDP hofft nun auf ein Ende der Personaldebatte. Letzter Auslöser war die verheerende Wahlniederlage in Baden-Württemberg vor gut sechs Wochen. Nur kurz darauf sah sich FDP-Chef Guido Westerwelle zum Rückzug vom Parteivorsitz gezwungen. Als Außenminister will er jedoch trotz aller Kritik im Amt bleiben. Die nun von der FDP angestoßene Kabinettsumbildung ist bereits die dritte der schwarz-gelben Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel.
Homburger bekam in der Fraktion nach Teilnehmerangaben für ihre Rückzugsrede minutenlang Applaus. Sie begründete ihren Rücktritt mit der Verantwortung für die Partei in einer schwierigen Situation und der Bitte des künftigen Parteichefs, die Erneuerung der FDP voranzubringen. Rösler dankte Homburger. Sie habe manche Kritik auf sich genommen, die auch Ministern der FDP gegolten habe. Rösler habe dann Brüderle als Fraktionschef vorgeschlagen, was formell von Westerwelle als Abgeordnetem unterstützt worden sei: Rösler selbst ist nämlich kein Mitglied des Bundestages.
Merkel freut sich auf Sacharbeit
Bundeskanzlerin Angel Merkel begrüßte die rasche Neuwahl der FDP-Fraktionsspitze noch vor dem Parteitag. Dies sei ein wesentlicher Beitrag dazu, dass sich die Koalition mit einer neuen FDP-Mannschaft von der nächsten Woche an wieder voll der Sacharbeit widmen könne, sagte die CDU-Chefin. "Das empfinde ich als ein sehr hilfreiches Vorgehen."
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach der FDP in ihrer derzeitigen Verfassung die Regierungsfähigkeit ab. "Der Machtkampf um die Fraktionsspitze zeigt noch einmal den Verfall der FDP", sagte er vor den SPD-Abgeordneten in Berlin. Das eigentlich Gravierende daran sei aber die "fortgesetzte Destabilisierung der Bundesregierung". Das "anhaltende Geschacher um Posten" zeige, dass die FDP-Krise inzwischen auf den Staat übergreife und deutsche Interessen schädige. Dies zeige auch der Blick auf die Anträge für den anstehenden FDP-Bundesparteitag. Dort werde etwa gefordert, dass es keinen ständigen Euro-Rettungsschirm geben dürfe und Länder wie Griechenland aus der Währungsunion austreten sollten. "Sollte sich die FDP in schierer Existenzangst weiter zu einer antieuropäischen und nationalpopulistischen Protestpartei radikalisieren, kann und darf sie deutsche Europapolitik nicht mehr bestimmen", sagte Steinmeier.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte zur Lage der FDP: "Eine Erneuerung zu vollziehen, indem man Frau Homburger durch Herrn Brüderle ersetzt, halte ich für eine humoristische Einlage." Sie forderte die FDP zu Aufklärung darüber auf, "wofür sie eigentlich steht".
Quelle: ntv.de, tis/dpa/AFP/rts