Was tun mit dem "Klotz am Bein"? FDP will Frieden erzwingen
20.12.2010, 11:06 Uhr
Zum Haare raufen: Die FDP in hohe Höhen geführt - und jetzt das.
(Foto: dpa)
Die FDP möchte die Diskussionen um ihren Chef schnell beenden. Generalsekretär Lindner will lieber Profil zeigen und mit Westerwelle in die Wahlkämpfe gehen. Doch selbst, wenn der Weihnachtsfrieden gelingt - die Probleme bei den Liberalen liegen tief. Und die bisherigen Kritiker werden ihre massiven Vorwürfe sicher nicht so schnell beerdigen.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat ein sofortiges Ende der Führungsdebatte um Parteichef Guido Westerwelle gefordert. Es sei jetzt erforderlich, dass die FDP in Sachthemen Profil gewinne, sagte Lindner mit Blick auf die Landtagswahlen des kommenden Jahres. "Es muss deutlich werden, wofür wir stehen, und dass wir das Land nicht den Staatsgläubigen, den Etatisten und Fortschrittsmuffeln überlassen", sagte Lindner. Er forderte die Partei auf, geschlossen aufzutreten. "Die FDP braucht insgesamt ein Team, damit sie wieder erfolgreich ist".
Die FDP werde mit Westerwelle an der Spitze in die Wahlen gehen, so Lindner. "Wenn die Landtagswahlen gelingen, dann wird sich die Frage eines Rücktritts auf dem Bundesparteitag gar nicht stellen." Der Parteichef sei "kein Problem"; in der schwierigen Lage der Partei werde aber vieles "auf ihn projiziert", befand Lindner.
Der Chef der schleswig-holsteinischen FDP, Jürgen Koppelin, nannte Westerwelle einen Teamplayer. "Darauf sollte er sich besinnen", sagte Koppelin dem NDR. Westerwelle habe wegen der Doppelbelastung als Außenminister und Parteichef die Parteiarbeit "vielleicht etwas aus dem Blick verloren". In der Euro-Krise sei Deutschland gut von Westerwelle vertreten worden. Solche Erfolge müssten die Freien Demokraten mehr herausstellen.
Westerwelle hatte am Sonntag Rücktrittsforderungen aus den eigenen Reihen erneut eine Absage erteilt. Er äußerte sich aber zunächst nicht dazu, ob er beim FDP-Parteitag im Mai erneut für das Amt des Vorsitzenden kandidieren werde.
Westerwelle steht wegen des anhaltenden Umfragetiefs der FDP massiv in der Kritik. Bei den sieben im kommenden Jahr anstehenden Landtagswahlen müssen die Liberalen gleich in mehreren Bundesländern fürchten, nicht mehr in die Landtage gewählt zu werden.
Umfragen ein Desaster
Laut "Focus" sehen aktuelle Umfragen die FDP sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Baden-Württemberg bei 4 Prozent. Die Liberalen würden damit aus beiden Landtagen fliegen. Rheinland-Pfalz ist eigentlich eine FDP-Hochburg, Baden-Württemberg gilt als liberales "Stammland". Dort sind sie derzeit noch an der Regierung beteiligt. In der Sonntagsfrage für den Bund sehen die Umfragen die FDP nur noch bei 3 bis 4 Prozent.
FDP-Generalsekretär Lindner, Parteichef Westerwelle und Fraktionschefin Homburger im Bundestag. Ratlosigkeit.
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Der FDP-Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz, Herbert Mertin, hatte Westerwelle als "Klotz am Bein" bezeichnet, der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki hatte den Zustand der FDP mit dem Ende der DDR verglichen. Prominente Vertreter der baden-württembergischen FDP forderten Westerwelle vor wenigen Tagen per Brief dazu auf, beim traditionellen Dreikönigstreffen am 6. Januar seinen Rückzug anzukündigen. Dem schloss sich am Samstag der hessische FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn an.
Kein Allheilmittel
Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter analysierte, Westerwelle habe einige Fehler gemacht und es nicht geschafft, das prestigeträchtige Amt des Außenministers zur Imageverbesserung zu nutzen. Ein Führungswechsel könne der Partei helfen - vorausgesetzt die Person Westerwelle trage wie von seinen Kritikern behauptet tatsächlich die Schuld am Absturz in den Umfragen. Hier spielten aber weitere Faktoren eine Rolle. So leide die FDP insgesamt unter dem Imageverlust der Bundesregierung, sagte Oberreuter. Eine weitere Rolle spiele die mangelnde Durchsetzungskraft der FDP in der Regierung.
Auch der Bonner Parteienforscher Gerd Langguth hält einen Rückzug des Parteichefs keineswegs für das Allheilmittel. Für eine Partei sei es sehr schwer, sich von einem negativen Image zu erholen. Die FDP habe insgesamt das Problem, beim Normalbürger ihre Existenzberechtigung unter Beweis zu stellen.
Quelle: ntv.de, jmü/dpa/rts/AFP