Präsidentschaftswahl in Österreich Hofer liegt ohne Briefwahlstimmen vorne
22.05.2016, 19:31 Uhr
Hofer (l.) und Van der Bellen.
(Foto: AP)
Es geht spannend zu in Österreich: Die beiden Bewerber für das Amt des Bundespräsidenten liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Nach dem vorläufigen Ergebnis liegt nun der FPÖ-Kandidat Hofer vorne. Doch noch ist nichts entschieden.
Bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich hat der Kandidat der rechtspopulistischen FPÖ, Norbert Hofer, ohne Berücksichtigung der Briefwähler laut dem vorläufigem Endergebnis 51,9 Prozent der Stimmen geholt. Das teilte das Innenministerium in Wien mit. Sein Kontrahent, der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen, hat demnach 48,1 Prozent erhalten. Ein offizielles Endergebnis wird es erst am Montag nach Auszählung der Stimmen von Briefwählern geben.
Laut Hochrechnungen, die die Hunderttausenden Briefwahlkarten wiederum miteinrechnen, gibt es einen Gleichstand zwischen den Kandidaten. Beide kommen demnach auf exakt 50 Prozent. Der ORF-Hochrechnung zufolge hatte dabei Van der Bellen einen minimalen Vorsprung von rund 4000 Stimmen. Der 72-jährige Wirtschaftsprofessor und frühere Grünen-Chef konnte vor allem in den großen Städten punkten. Der gelernte Flugzeugtechniker Hofer gewann laut Analysen besonders Wähler im ländlichen Raum für sich. Die Wahlbeteiligung lag mit 72 Prozent deutlich höher als bei der vorherigen Präsidentenwahl 2010.
Ein Unsicherheitsfaktor bei den Hochrechnungen war allerdings die Rekordzahl von voraussichtlich etwa 700.000 bis 800.000 Briefwählern. Das sind mehr als zehn Prozent der 6,4 Millionen Wahlberechtigten. Die Schwankungsbreite betrug plus/minus 0,7 Prozentpunkte, bei einem Auszählungsgrad von 100 Prozent.
"Das hat sich niemand von uns gewünscht"
"Wir werden warten müssen", sagte Hofer dem Sender ORF. "Das hat sich niemand von uns gewünscht, wir wollten beide ruhig schlafen." Er versicherte, im Fall eines Siegs der Präsident aller Österreicher zu sein. "Die Person, die gewinnt, wird die Aufgabe haben, Österreich zu vereinen", sagte der FPÖ-Politiker, dem Kritiker vorwerfen, ungeachtet seines freundlichen Auftretens rechtsradikale Positionen zu vertreten.
Van der Bellen zeigte sich zufrieden mit seinem Abschneiden. "Die Wenigsten haben geglaubt, dass das aufholbar ist", sagte er im ORF. Er habe Unterstützung aus allen Generationen und Schichten erhalten. "Das trägt einen schon." Im Fall eines Siegs will Van der Bellen auf die FPÖ-Wähler zugehen. Ein Wahlkampf sei "polarisierend", doch setze man sich nach einer Wahl wieder zusammen, wie es in Österreich gute Tradition sei.
Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 24. April hatte sich das amtliche Ergebnis nach Auszählung der Briefwahlstimmen noch spürbar verändert. Damals verlor Hofer noch 1,3 Prozentpunkte auf 35,1 Prozent, Van der Bellen legte um 0,9 Prozentpunkte auf 21,3 Prozent zu.
Wahl von europaweitem Interesse
Beide Kandidaten hatten sich in einem bisher beispiellosen Lager-Wahlkampf um die Nachfolge des im Juli ausscheidenden Bundespräsidenten Heinz Fischer beworben. Erstmals waren in der Stichwahl keine Kandidaten der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP vertreten. Unter anderem wegen des SPÖ-Debakels in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen war Bundeskanzler Werner Faymann zurückgetreten.
Die Wahl stieß international auf großes Interesse. Das Erstarken der Rechtspopulisten auch in anderen Ländern wird von EU und vielen Regierungen mit Sorge beobachtet. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte sich mit klaren Worten in den österreichischen eingemischt und vor Hofer gewarnt.
Hofer wäre der der erste Rechtspopulist an der Spitze eines EU-Staats. Die FPÖ ist ausländer- und europakritisch. Hofer hat angekündigt, als Bundespräsident seine Befugnisse stärker als die Vorgänger nutzen zu wollen. Dazu gehört im äußersten Fall auch die Entlassung der Regierung. Das Recht dazu hat der Bundespräsident in Österreich zwar, traditionell hat er aber eine vorwiegend repräsentative Funktion.
Der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz sagte: "Wer immer am Ende vorne liegt: Ein solches Ergebnis ist in einer Demokratie ein Auftrag, das Volk wieder zusammen zu führen und nicht zu spalten." Die Wahl sei ein Weckruf an alle Parteien der demokratischen Mitte in Europa, nicht auf den Kurs von Populisten einzuschwenken.
Viele Wähler stimmen gegen Kandidaten
In einer ersten Analyse zu den Wahlmotiven stellte sich heraus, dass weniger die echte Überzeugung für einen Kandidaten eine Rolle spielte. Vielmehr machten viele Wähler ihr Kreuz, um den jeweiligen Gegenkandidaten zu verhindern.
40 Prozent der Wähler von Van der Bellen gaben an, "gegen Rechts" gewählt zu haben, um Hofer zu verhindern, sagte der Meinungsforscher Peter Hajek. "Alle anderen Motive sind da deutlich in den Hintergrund getreten." So habe das Flüchtlingsthema bei nur zwölf Prozent der Hofer-Wähler eine wichtige Rolle gespielt.
Quelle: ntv.de, shu/hul/dpa/AFP