Politik

Sicherheitsverwahrung gekippt Karlsruhe bringt Regierung in Not

Karlsruhe kippt die bisherige Praxis der Sicherungsverwahrung - eine "vernichtende Niederlage" für die Regierung, wie Links-Politiker Neskovic kommentiert. Die Koalition deutet das Urteil allerdings als Zustimmung ihrer Politik. Nach dem Richterspruch können sich einige Sicherheitsverwahrte Hoffnung auf eine Freilassung machen.

Der Zweite Senat bei der Urteilsverkündung.

Der Zweite Senat bei der Urteilsverkündung.

(Foto: dpa)

Nach dem Karlsruher Urteil zur Sicherungsverwahrung will die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern weitere Reformen in Angriff nehmen. Grundsätzlich sehen Union und FDP aber den Weg, der mit der Neuregelung der Sicherungsverwahrung Anfang Januar eingeleitet wurde, bestätigt. Dagegen bezeichnete die Opposition das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als Ohrfeige für die Politik der Bundesregierung.

Die Karlsruher Richter hatten entschieden, dass sämtliche Regelungen zur Sicherungsverwahrung für Schwerverbrecher verfassungswidrig sind und die Politik bis 2013 ein neues Konzept erarbeiten muss. Die bisherige Praxis verletze die persönliche Freiheit der Straftäter, hieß es in der Begründung der Karlsruher Richter. Eine Übergangsregelung ermöglicht es, die rund 500 Sicherheitsverwahrten bis zu einer Reform in Haft zu belassen. Allerdings müssen bis Jahresende die sogenannten Altfälle überprüft werden, also Fälle, in denen die Sicherungsverwahrung nachträglich oder rückwirkend verfügt wurde. Diese Straftäter können nur im Gefängnis bleiben, wenn von ihnen eine extreme Gefahr ausgeht. Wieviele von ihnen bald auf freiem Fuß sind, ist noch unklar.

Justizministerin zufrieden

Auf die Justizministerin kommt einiges an Arbeit zu.

Auf die Justizministerin kommt einiges an Arbeit zu.

(Foto: REUTERS)

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erklärte, die grundlegende Weichenstellung mit der jüngsten Reform habe das Gericht nicht infrage gestellt. "Die Voraussetzungen, unter denen ein Straftäter in Sicherungsverwahrung genommen werden kann, sind nicht beanstandet worden", betonte die FDP-Politikerin. Jedoch seien nun Bund und Länder gefordert, dafür zu sorgen, dass sich die Sicherungsverwahrung deutlicher von der Strafhaft unterscheide und Therapieangebote beinhalte.

Unions-Fraktionsvize Günter Krings erklärte, möglicherweise gebe es auch Handlungsbedarf bei der nach wie vor bestehenden nachträglichen Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht. Im Kern habe das Karlsruher Gericht aber die Sicherungsverwahrung bestätigt. Krings begrüßte, dass das Gericht dem Gesetzgeber Übergangsregeln einräumte - gefährliche Straftäter also nicht sofort freigelassen werden müssen.

Montag sieht Koalition vor "Scherbenhaufen"

Hingegen wertete der Linken-Justizexperte Wolfgang Neskovic das Urteil als "vernichtende Niederlage" für die Politik. Er verstehe das Urteil so, dass nun das gesamte Recht neu geordnet werden müsse. Neskovic erneuerte die Forderung der Linken nach einer Expertenkommission. "Wir brauchen eine Reform aus einem Guss", forderte er. Bislang habe die Politik nur "Flickschusterei" betrieben.

Der Grünen-Rechtsexperte Jerzy Montag erklärte, die schwarz-gelbe Rechtspolitik stehe vor einem "Scherbenhaufen". Der Bundestag stehe nun vor einer schwierigen Aufgabe. Bis zum Sommer 2013 müssten sämtliche Regelungen verfassungskonform neu bedacht werden.

Nach langen Diskussionen war erst im Januar eine Reform der schwarz-gelben Koalition zur Sicherungsverwahrung in Kraft getreten. Damit wurde die Maßnahme auf schwere Delikte beschränkt. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung wurde für Erwachsene grundsätzlich abgeschafft. Täter, die nach einem wegweisenden Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 eigentlich freizulassen sind, werden wenn möglich untergebracht - vorausgesetzt, sie sind "psychisch gestört". Seit Jahren gibt es aber grundsätzlich Kritik daran, dass sich die Sicherungserwahrung zu wenig von einer normalen Haft unterscheidet.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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