Politik

Bei der FDP ist Dampf im Kessel Kein Blankoscheck für Wulff

Zwei Kandidaten für ein Amt: Wulff (l) und Gauck.

Zwei Kandidaten für ein Amt: Wulff (l) und Gauck.

(Foto: REUTERS)

FDP-Landespolitiker fühlen sich von ihrem Parteichef übergangen: Sie seien in die Entscheidungsfindung bei der Köhler-Nachfolge nicht einbezogen worden. Es sei darüber zu sprechen, "ob wir trotz Bedenken mit Herrn Wulff leben können", heißt es. Gleichzeitig wird Oppositions-Kandidat Gauck gepriesen.

In der FDP werden Stimmen laut, die sich auch eine Unterstützung des Oppositionskandidaten für das Bundespräsidentenamt, Joachim Gauck, vorstellen können. Der sächsische FDP-Chef, Holger Zastrow, sagte der "Welt am Sonntag", es gebe keinen Blankoscheck für den Kandidaten von Union und FDP, Niedersachsens Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU).

Beide Kandidaten wären in der Lage, das Amt gut ausfüllen zu können. "Ich persönlich habe große Sympathien für Joachim Gauck", sagte Zastrow. Die FDP in Sachsen wird erst nächste Woche, nach Gesprächen mit Bürgermeistern und Kreisvorsitzenden, entscheiden, wie sie in der Bundesversammlung am 30. Juli abstimmt.

2010 präsentiert Merkel ihren Favoriten.

2010 präsentiert Merkel ihren Favoriten.

(Foto: APN)

Ähnlich wie Zastrow ließ auch der Fraktionschef der FDP im Landtag von Sachsen-Anhalt, Veit Wolpert, Distanz gegenüber dem Kandidaten der Bundesregierung, Christian Wulff, erkennen. "Wir werden in der Fraktion darüber zu sprechen haben, ob wir trotz Bedenken mit Herrn Wulff leben können", sagte Wolpert. Er sprach von einer massiven Verärgerung darüber, dass die Länder von FDP-Parteichef Guido Westerwelle nicht in die Entscheidungsfindung einbezogen wurden.

Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef und Bundesvorstandsmitglied Wolfgang Kubicki hatte bereits vor der Entscheidung der Koalition für Wulff den niedersächsischen Ministerpräsidenten als "Provinzpolitiker" und als "zu leichtgewichtig für das höchste Staatsamt" kritisiert.

2004 zaubern der damalige CSU-Chef Stoiber, Merkel und Westerwelle den IWF-Direktor Köhler als Überraschungskandidaten aus der Versenkung.

2004 zaubern der damalige CSU-Chef Stoiber, Merkel und Westerwelle den IWF-Direktor Köhler als Überraschungskandidaten aus der Versenkung.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Von Anfang an hätten "nur CDU-Parteisoldaten" zur Auswahl gestanden, kritisierte der Thüringer FDP-Generalsekretär Patrick Kurth laut "Spiegel". "Die Parteiführung muss deutlich machen, welche strategischen Vorteile die Kür Wulffs für uns bringt", zitierte ihn das Magazin.

Die Generalsekretärin der bayerischen FDP, Miriam Gruß, bemängelte ebenfalls im "Spiegel", ihre Partei hätte trotz der Hektik nach dem unerwarteten Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler "als eigenständige Partei sichtbar werden müssen". "Es darf sich nicht der Eindruck festsetzen, dass die FDP zuerst Koalitionspartner und dann erst die liberale Partei ist."

Der hessische Landeschef Jörg-Uwe Hahn sagte dem Bericht zufolge in einer vertraulichen Besprechung, es sei "richtig Dampf im Kessel". "Wir müssen uns bald entscheiden, was uns wichtiger ist: die Regierungsbeteiligung oder die Identität der Partei", wurde Hahn zitiert.

Wertschätzung für Gauck

Der frühere FDP-Chef Wolfgang Gerhardt sagte der "Welt am Sonntag", er habe höchsten Respekt vor der Kandidatur von Joachim Gauck, der gemeinsam von SPD und Grünen nominiert worden war. "Ich kenne und schätze seine Überzeugungen, und er leistet damit seinen Beitrag zu einer echten Wahl in der Bundesversammlung."

Die 1994 Roman Herzog unterlegene frühere FDP-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, Hildegard Hamm-Brücher, will Joachim Gauck bei seiner Kandidatur für das höchste Staatsamt den Rücken stärken. "Ich unterstütze Joachim Gauck, weil seine Kandidatur in unserer verunsicherten Demokratie in Ost und West auf jeden Fall ein Zeichen der Hoffnung gibt", sagte Hamm-Brücher. Der frühere Chef der Stasi- Unterlagenbehörde fühle sich weitaus stärker als die meisten seiner Generation Deutschland verpflichtet, betonte Hamm-Brücher.

Der langjährige brandenburgische  CDU-Vorsitzende Jörg Schönbohm stellte im "Spiegel" die Frage,  warum es nicht möglich gewesen sei, "sich im bürgerlichen Lager mit der SPD auf Gauck zu einigen".

Gauck hätte auch für Union/FDP kandidiert

Gauck selbst sagte der "Welt", er sei, falls gewünscht, auch bereit um Stimmen aus dem Regierungslager zu werben. "Würden mich die Bundestagsfraktionen von Union und FDP einladen, käme ich natürlich und würde dort auf viele mir seit Jahren verbundene Menschen bekannte und verbundene Menschen stoßen." Er habe in den vergangenen Jahren "sehr gute Kontakte zur Union" gehabt und sei bei vielen Veranstaltungen bei den Liberalen mit "meiner Freiheitsbotschaft auf große Zustimmung gestoßen".

Der "Bild"-Zeitung erklärte Gauck, er hätte sich auch von Union und FDP als Kandidat nominieren lassen. "Ich hätte mich gefreut und hätte Ja gesagt", sagte er. Er fügte hinzu, Wulff wäre "selbstverständlich" ein guter Bundespräsident.

2004 und 2008 tritt Gesine Schwan für SPD/Grüne gegen Köhler an und verliert.

2004 und 2008 tritt Gesine Schwan für SPD/Grüne gegen Köhler an und verliert.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Wahlkampf wolle er aber nicht machen, betonte Gauck in der ARD.  "Ich werde der sein, der ich bin." Er pflege seit Jahren gute Beziehungen über Parteigrenzen hinweg. 1999 wollte die CSU bereits Gauck als Gegenkandidaten zu SPD-Kandidat Johannes Rau aufstellen - damals sei eine mögliche Kandidatur aber nicht über das Stadium von "Vorüberlegungen" hinausgekommen.

Gauck signalisierte auch grundsätzliche Bereitschaft, sich im Vorfeld der Wahl am 30. Juni mit der Linkspartei im Bundestag zu treffen - trotz aller Unterschiede im politischen Denken. "Wenn ich höflich eingeladen werde, werde ich höflich hingehen und danach Ausschau halten, ob es bei denen Unterstützer der politischen Aufklärung gibt", sagte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler der "Bild"- Zeitung.

Linke deutet Verzicht an

Linken-Fraktionsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann deutete einen Verzicht ihrer Partei auf einen eigenen Kandidaten an. Es habe wenig Sinn, in aller Eile einen Bewerber aus dem Hut zu zaubern, der auch Stimmen aus anderen Parteien erhalten könne, sagte sie der "Rheinpfalz am Sonntag".

Ewige Hassliebe zwischen FDP und CSU

Nach Angaben aus Unionskreisen hatte Westerwelle bei den Gesprächen der Parteivorsitzenden trotz einer prinzipiellen Einigung auf Wulff aus seiner Verärgerung über den Koalitionspartner CSU keinen Hehl gemacht: Die FDP werde der Personalie Wulff nur dann zustimmen, wenn FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler seine Pläne für eine Reform der Gesundheitsversicherung durchbekomme, habe der Liberale gedroht. In Regierungskreisen wurde diese Darstellung allerdings als Unfug zurückgewiesen.

Union und FDP werden bei der Bundespräsidentenwahl am 30. Juni eine satte Mehrheit haben. Schwarz-Gelb stehen 644 bis 646 Sitze in der Bundesversammlung zu und damit mindestens 21 mehr, als für die Wahl des neuen Staatsoberhaupts notwendig sind. Die Linke will weder Wulff noch Gauck unterstützen und erwägt die Aufstellung eines eigenen Kandidaten.

Bis zum 18. Juni sollen nun die Landtage ihre Wahlleute bestimmen. Die Bundesversammlung setzt sich aus allen 622 Bundestagsabgeordneten und ebenso vielen Vertretern der Länder zusammen. Die Verteilung der Sitze auf die Länder richtet sich nach der Bevölkerungszahl. Nordrhein-Westfalen stellt mit 133 die meisten Wahlleute, Bremen mit fünf die wenigsten.

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP

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