Der eiskalte Krieg Kiew und Moskau vermasseln es
27.12.2014, 16:51 Uhr
Die Unterhändler bei ihrem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Minsk
(Foto: REUTERS)
Nach knapp vier Monaten nimmt die Ukraine-Kontaktgruppe ihre Gespräche wieder auf. Doch die Verhandlungen in Minsk platzen vorzeitig. Ein Scheitern mit Ansage, an dem beide Seiten Anteil haben.
Petro Poroschenko ist froh. "Als Präsident und als Bürger ist mein Herz voller Freude, dass Sie wie versprochen an Neujahr ihre Familien und Kampfgefährten treffen können", sagte der ukrainische Präsident an diesem Samstag zu den ersten 145 von prorussischen Separatisten freigelassenen Soldaten. Poroschenko versuchte Hoffnung und Zuversicht zu verbreiten. Dabei gibt es eigentlich keinen Grund dafür.
Was für eine Enttäuschung! Lediglich auf einen Gefangenenaustausch konnten sich die Unterhändler bei den Friedensverhandlungen in Minsk einigen. Die ersten Gespräche zwischen den Konfliktparteien nach knapp vier Monaten endeten vorzeitig, die geplante Fortsetzung der Verhandlungen platzte am Freitag. Und dann?
Noch am selben Tag verkündete die russische Regierung ihre neue Militärdoktrin. Moskau stuft den Konflikt in der Ukraine und die Nato-Osterweiterung von nun an offiziell als Gefahr für die eigene Sicherheit ein. Was für ein Timing! Warum ausgerechnet jetzt? Warum verbal aufrüsten, anstatt sich miteinander an einen Tisch zu setzen? Russland spielt nach wie vor eine zwiespältige Rolle im Ukraine-Konflikt. Von den Separatisten hat sich die russische Führung immer noch nicht distanziert. Moskau muss sich an der Konsolidierung der Ostukraine beteiligen, es trägt viel Verantwortung für die Situation. Aber dennoch ist es nicht nur Schuld des Kremls, dass die Verhandlungen gescheitert sind.
Schadensbegrenzung wäre jetzt angemessen
Das Treffen in Minsk stand von vornherein unter schlechten Vorauszeichen. Kiew hatte die bevorstehenden Gespräche der Ukraine-Kontaktgruppe bereits zu Wochenbeginn torpediert. Am Dienstag verabschiedete das ukrainische Parlament ein Gesetz über das Ende ihres blockfreien Status und macht damit den Weg für eine Nato-Mitgliedschaft frei. Dass sich die Politiker in Kiew zu diesem Schritt durchringen, ist ihr gutes Recht und nach den Ereignissen der vergangenen Monaten nachvollziehbar.
Fatal ist nur der Zeitpunkt. "Das ist kontraproduktiv und heizt nur die Konfrontation an." Das sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow - und er hat Recht! In der angespannten Situation ist dies eine denkbar ungünstige Provokation gegenüber Moskau. Es hinderte letztlich beide Seiten daran, in Minsk aufeinander zuzugehen und Schadensbegrenzung zu betreiben - dabei wäre das jetzt angemessen.
Die beiden früheren Bruderrepubliken stehen vor den Trümmern der vergangenen Monate. Seit Beginn des Konflikts starben mehr als 4600 Menschen. Russland kämpft mit den Auswirkungen der Sanktionen. Der Ukraine droht derweil nicht nur finanziell der Kollaps. Aus Mangel an Ressourcen muss Kiew immer wieder landesweit den Strom abschalten. In den östlichen Regionen leben die Menschen in bitterer Not. Weder Kiew noch Moskau wollen die besetzten Gebiete finanzieren. Aber soll man die fünf Millionen Menschen jetzt ihrem Schicksal überlassen? Sich weiter auf unnütze Drohgebärden und eiskalte Geopolitik zu beschränken, ist von beiden Seiten nur noch verantwortungslos.
Dabei hätte es so viel zu besprechen gegen. Ob die im September geplante Einrichtung einer Pufferzone oder eine konzertierte Aktion für humanitäre Hilfe und Energieversorgung: Minsk wäre eine Chance gewesen. Wer weiß, ob es so schnell eine zweite gibt.
Quelle: ntv.de