Schlechte Vorzeichen für Ukraine-Gipfel Kiew verbittet sich Moskaus "Besserwisserei"
30.03.2014, 18:51 Uhr
In vielen ukrainischen Städten wie hier Odessa zeigten die Menschen am Wochenende Flagge.
(Foto: REUTERS)
Im Paris treffen die beiden Außenminister Russlands und der USA zusammen, um über eine einvernehmliche Lösung der Ukraine-Frage zu beraten. Die Regierung in Kiew beantwortet Vorschläge aus Moskau dagegen wenig diplomatisch.
Kurz vor einem Gespräch zwischen Russlands Außenminister Sergej Lawrow und US-Kollege John Kerry über eine Lösung der Ukraine-Krise kommen wenig versöhnliche Töne aus Kiew. Die Regierung wies die Forderung des Nachbarn nach einer Föderalisierung des Landes zur Stärkung der russischen Regionen scharf zurück.
"Wir möchten Russland empfehlen aufzuhören, einem souveränen und unabhängigen Land Ultimaten zu setzen und lieber seine Aufmerksamkeit auf die katastrophale Situation und die völlige Entrechtung seiner eigenen Minderheiten zu richten, darunter auch die Ukrainer", erklärte das Außenministerium. In der Stellungnahme war von "Besserwisserei" des "Aggressors Russland" die Rede.
Das ukrainische Außenministerium warf der Russischen Föderation vor, selbst den in ihrem Namen implizierten Föderalismus nicht umzusetzen. "Warum werden keine anderen Sprachen als Russisch als Amtssprache anerkannt, darunter Ukrainisch, die Sprache von Millionen russischer Bürger?", fragte das Ministerium in der Erklärung. "Es ist unsinnig, anderen Predigten zu halten. Lernt zuerst, im eigenen Land Ordnung zu schaffen."
Erster Kontakt seit Tagen
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte zuvor den Westen aufgerufen, einen Vorschlag zu unterstützen, der auf den Umbau der Ukraine in einen föderalistischen Staat zielt, um der russischen Minderheit im Süden und Osten des Landes mehr Rechte zu geben. Zudem forderte er, dass Russisch als zweite Amtssprache in der Ukraine anerkannt wird. Als weiteren wichtigen Punkt nannte Lawrow eine Blockfreiheit der Ukraine. Das Land dürfe nicht der Nato beitreten.
Das bevorstehende Treffen der Außenminister hatten US-Präsident Barack Obama und Russlands Präsident Wladimir Putin vereinbart. Die beiden Außenminister hatten sich nach dem umstrittenen Krim-Referendum und dem anschließenden Anschluss der Halbinsel an Russland zuletzt am Rande des Nukleargipfels getroffen. Zuvor hatten die beiden Politiker am 14. März in London nach einem Ausweg aus der Krise gesucht.
Auf der Krim ticken unterdessen die Uhren jetzt wie in Moskau. Tausende jubelten in der Nacht zum Sonntag und schwenkten russische Fahnen, als die zentrale Bahnhofsuhr in Simferopol um zwei Stunden vorgestellt wurde. Bereits früher war der Rubel neben der ukrainischen Währung Griwna eingeführt worden. Der Anschluss der Krim wird vom Westen als Bruch des Völkerrechts scharf kritisiert.
Poroschenko hat die besten Chancen
In Kiew gedachten Tausende der Opfer der Proteste auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan). Daran nahmen auch Ex-Boxchampion Vitali Klitschko und der Unternehmer Pjotr Poroschenko teil. Dem mit Klitschko verbündeten Poroschenko werden bei der Präsidentenwahl am 25. Mai gute Chancen eingeräumt. Klitschko hatte am Samstag überraschend auf eine eigene Kandidatur verzichtet, er will sich stattdessen ein drittes Mal um den Posten des Kiewer Bürgermeisters bewerben.
Damit zeichnet sich bei der Wahl des Staatspräsidenten in zwei Monaten ein Rennen zwischen dem proeuropäischen Milliardär Poroschenko und der antirussischen Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko ab, die sich am Samstag von ihrer Vaterlandspartei als Präsidentschaftskandidatin bestätigen ließ. Sie hatte 2010 die Präsidentenwahl gegen den mittlerweile gestürzten Staatschef Viktor Janukowitsch verloren. Die Partei des nach Russland geflohenen Janukowitsch wählte den moskautreuen Ex-Gouverneur des ostukrainischen Gebiets Charkow, Michail Dobkin, zu ihrem Kandidaten.
Aus einer möglichen Stichwahl mit Timoschenko würde Poroschenko Umfragen zufolge zurzeit als klarer Sieger hervorgehen. Die Politikerin hatte zuletzt mit Drohungen gegen Kremlchef Putin - in einem offenbar abgehörten Telefonat - Irritationen ausgelöst. Öffentlich bezeichnete sie den russischen Präsidenten als "Feind Nummer eins der Ukraine". Ihr mögliches Comeback wird daher auch im Westen mit Sorge gesehen.
Krimtataren stimmen für Autonomie
Obama forderte Putin nachdrücklich auf, die russischen Truppen von der Grenze zur Ukraine abzuziehen. Eine Stabilisierung des Landes sei nur möglich, "wenn Russland seine Truppen zurückzieht und keine Schritte zur weiteren Verletzung der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine unternimmt", sagte er nach Angaben des Weißen Hauses in dem Telefonat mit Putin. Lawrow hat mehrfach dementiert, dass Russland an der Grenze zur Ukraine Truppen für einen Einmarsch zusammenziehe.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte dem "Focus", das Bündnis sei "extrem beunruhigt" über den Aufmarsch russischer Truppen. Die Allianz werde nun ihre kollektive Verteidigung weiter stärken. Die Bundesregierung erwägt angesichts der Krim-Krise, den osteuropäischen Nato-Staaten militärisch Beistand zu leisten. Geprüft würden etwa zusätzliche Awacs-Aufklärungsflüge über Rumänien und Polen sowie eine Beteiligung an einem Nato-Marinemanöver in der Ostsee, sagte eine Sprecherin von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa in Berlin.
Kritik an der prorussischen Führung in Simferopol kam auch von den Krimtataren. Bei einer Versammlung in Bachtschissarai forderten Vertreter "mehr Selbstbestimmung". Die muslimischen Krimtataren sind traditionell eher der Ukraine zugewandt. Nach ihrer Deportation unter Sowjetdiktator Josef Stalin siedelten sie sich in den vergangenen Jahren wieder auf der Krim an.
Quelle: ntv.de, jog/AFP/dpa