Westerwelle will diskutieren Liberales Murren immer lauter
28.03.2011, 21:21 Uhr
Schwieriger Prozess: Westerwelle will die Personaldiskussionen ohne Zeitdruck führen.
(Foto: REUTERS)
FDP-Chef Westerwelle will nach dem Wahldesaster übereilte Rücktritte in seiner Partei verhindern. Es werde keine Entscheidungen "als Blitzableiter" geben. Mehrere FDP-Politiker fordern allerdings personelle Konsequenzen.
Nach ihrem Debakel bei den Landtagswahlen streitet die FDP um ihr Führungspersonal. Mehrere führende Parteimitglieder verlangten eine umfassende personelle Neuaufstellung des Teams um Parteichef Guido Westerwelle. Besonderen Zorn in der Partei zog Wirtschaftsminister Rainer Brüderle auf sich, dem wegen Äußerungen zum Atom-Moratorium in der Partei eine erhebliche Mitschuld am Absturz der Liberalen in Baden-Württemberg sowie seines Landesverbandes in Rheinland-Pfalz gegeben wird. Seine erste Konsequenz: Er will bei einem vorgezogenen Landesparteitag in Rheinland-Pfalz nicht mehr als Landesvorsitzender kandidieren. Sein Ministeramt möchte Brüderle jedoch behalten.
FDP-Chef Westerwelle ließ größere personelle Konsequenzen vorerst offen. Er kündigte nach Beratungen der Parteigremien einen geordneten und überlegten Diskussionsprozess zur Neuaufstellung der FDP bis zum Parteitag im Mai an. Es werde keine übereilten Entscheidungen "als Blitzableiter" geben. Die Partei habe die Botschaft der Wähler in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vom Sonntag verstanden. Über das Team, das die FDP in den kommenden zwei Jahren führen werde, solle bei einer Klausur am 11. April beraten werden.

Massiv unter Druck: Brüderle hatte mit unüberlegten Äußerungen unmittelbar vor den Wahlen Schwarz-Gelb in Verruf gebracht.
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Westerwelle machte erneut deutlich, dass er die Arbeit als Parteivorsitzender gerne tue. Die Zukunft des umstrittenen Bundeswirtschaftsministers ließ Westerwelle offen. "Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen. Es kann kein einfaches "weiter so" geben", sagte Westerwelle. Der Parteichef sprach von einem einschneidenden Wahlsonntag, auch was die Personalaufstellung der Partei angehe. Es werde in der nun anstehenden Diskussion darum gehen, langfristig das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen. Generalsekretär Christian Lindner versprach ebenfalls einen "offenen Diskussionsprozess" über personelle und politische Konsequenzen.
Kritik an Homburger
Bundesvorstandsmitglied Wolfgang Kubicki forderte dagegen eine "muntere Debatte" über die gesamte Führungsspitze um Westerwelle. Vor allem griff er Fraktionschefin Birgit Homburger an. Der Vorsitz der Bundestagsfraktion sei "komplett fehlbesetzt", sagte der schleswig-holsteinische Fraktionschef dem "Hamburger Abendblatt". Die entscheidende Aufgabe, das Bild der FDP mitzuprägen, habe Homburger "hundsmiserabel erfüllt". In der "Leipziger Volkszeitung" fügte er hinzu, Homburger müsse "beschämt ihre Ämter abgeben und nach Hause gehen".
Der Chef der Jungen Liberalen (JuLis), Lasse Becker, forderte: "Nichts und niemand darf ausgespart werden". Bei Brüderle stelle sich zudem die Frage, ob er nach seinen umstrittenen Äußerungen in der vergangenen Woche weiter Wirtschaftsminister sein könne, wenn er so wenig Gespür habe für technologische Themen und für die reale Lage in Deutschland habe.
Der baden-württembergische FDP-Europaabgeordnete und Parteivize Michael Theurer ging härter zur Sache. Er legte Westerwelle den Rücktritt vom Vorsitz der Bundespartei nahe. "Ich habe Guido Westerwelle empfohlen, sich auf das Außenamt zu konzentrieren", sagte Theurer. Künftig sollten Kabinettsposten und Funktionen in der Parteispitze voneinander getrennt werden, um bei den Liberalen eine stärkere programmatische Auseinandersetzung und Einbeziehung der Partei zu ermöglichen.
Gerhardt warnt
Der hessische FDP-Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn verlangte ebenso ein neues Team, um die FDP aus dem "Tal der Tränen" wieder herauszuholen. Zu Westerwelles politischer Zukunft wollte er sich im Deutschlandfunk nicht näher äußern. "Ich habe zu keiner Person etwas gesagt und werde das auch nicht zu Guido Westerwelle tun." Hahn gehörte in der Vergangenheit zu den ärgsten Kritikern des FDP-Chefs.
Der ehemalige FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt hat seine Partei nach dem Wahldesaster in einem dramatischen Appell vor einer Existenzkrise gewarnt. "Wir stehen vor existenziellen Fragen über die Zukunft der Partei, des politischen Liberalismus und ein einfaches "Weiter so" reicht nicht", heißt es in einer Erklärung, die Gerhardt veröffentlichte. Der Vorsitzende der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung forderte auch personelle Konsequenzen. "Notwendig ist eine gründliche Inventur unseres Angebotes in der Sache und in Personen", heißt es in der Stellungnahme. Ein solcher Schritt erfordere Mut, daran führe aber kein Weg vorbei.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts