Zehn-Punkte-Plan beschlossen Linke will SPD Kontra geben
10.10.2009, 11:33 UhrMit einem Zehn-Punkte-Plan will sich die Bundestagsfraktion der Linkspartei bei Themen wie Hartz IV und der Rente mit 67 Jahren klar von der SPD abgrenzen. Differenzen gibt es dagegen im Umgang mit dem Afghanistan-Einsatz. In der SPD wird der Rückzug des bisherigen Fraktionschefs Lafontaine unterschiedlich gedeutet.
Die Bundestagsfraktion der Linkspartei will sich weiter scharf von der SPD abgrenzen. Nach einer Klausurtagung im brandenburgischen Rheinsberg sagte Fraktionschef Gregor Gysi, die Abgeordneten hätten darüber beraten, ob die Linke auf SPD und Grünen zugehen solle. "Ich kann das nicht empfinden. Es gibt doch kein Ja zu Bündnissen mit uns. Reale gesellschaftliche Veränderungen werden an uns nicht scheitern, aber wir haben keinen Grund, denen hinterherzulaufen." Entsprechende Signale "müssen erst einmal von den anderen kommen", sagte er. Gysi forderte die eigene Fraktion mit 76 Abgeordneten auf, im Bundestag geschlossen aufzutreten; zugleich warnte er sie davor, einzelnen Parteiströmungen verhaftet zu bleiben.
Bei ihrer Klausurtagung beschlossen die Abgeordneten einstimmig einen Zehn-Punkte-Plan, der als Arbeitsgrundlage für die ersten Monate der Wahlperiode dienen soll. Schwerpunkt des Fraktionspapiers sind sozialpolitische Forderungen. So tritt die Linkspartei ein für den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, einen flächendeckenden Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde, die Rücknahme der Rente mit 67 sowie für Verbesserungen bei der Arbeitsmarktreform Hartz IV - allesamt Themen, mit denen die Linke im Wahlkampf die dafür mitverantwortliche SPD als "entsozialdemokratisiert" dargestellt hatte. Geht es nach der Linkspartei, sollen die Leistungen für Hartz-IV-Empfänger verbessert und das Kurzarbeitergeld auf 36 Monate angehoben werden.
Linke stemmen sich gegen Hartz-IV-Reformen
Die Rente mit 67 hatte der noch amtierende SPD-Chef Franz Müntefering durchgesetzt. Auch Einschränkungen bei den Leistungen für Arbeitslose gehen auf die Reformpolitik Agenda 2010 von Alt-Kanzler Gerhard Schröder zurück. Allerdings gibt es mittlerweile in der SPD selbst starke Bestrebungen, Teile der sozialen Einschnitte rückgängig zu machen. Zeitgleich bemühen sich führende Sozialdemokraten, die SPD von dem entschiedenen Nein zu einer Zusammenarbeit mit den Linken auf Bundesebene zu lösen.
Nach dem Forderungskatalog der Linksfraktion sollen die sozialen Sicherungssysteme, wie etwa die gesetzliche Krankenversicherung, bei Bedarf mit mehr Steuermitteln finanziert werden. Eine Beitragserhöhung wollen die Linken vermeiden. Dies soll zum Teil durch höhere Steuern für Reiche finanziert werden. Den von den Grünen angestrebten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum geplanten Atomendlager Gorleben wollen die Linken unterstützen. Auch die atomaren Lager Asse, Schacht Konrad und Morsleben sollen in den Untersuchungsauftrag einbezogen werden.
Lafontaines Rückzug unterschiedlich gewertet
Über den Umgang mit dem Afghanistan-Einsatz gibt es allerdings bei den Linken noch interne Differenzen. Einige Mitglieder halten es für kontraproduktiv, den "sofortigen" Abzug zu fordern. Es sei völlig unrealistisch, 4500 Soldaten im Hauruck-Verfahren nach Deutschland zurückzuholen, hieß es. Fraktionschef Gysi dagegen will weiter den sofortigen Rückzug verlangen. Erstens habe die Linke keinerlei Veranlassung, mit anderen Parteien, die den Einsatz einheitlich befürworten, Kompromisse einzugehen, sagte er. Zweitens müssten auch nicht alle in Afghanistan stationierten Soldaten auf einmal abgezogen werden. Wichtig sei stattdessen, dass sofort erste Schritte eingeleitet würden. Die Partei betonte, dass gleichzeitig die Hilfe für den Wiederaufbau des Landes massiv aufgestockt werden müsse.
Am Freitag hatte der bisherige Fraktionschef Oskar Lafontaine bei der Vorstandswahl überraschend nicht wieder kandidiert. Er will sich nun auf das Amt des Parteivorsitzenden konzentrieren. Gysi war mit 95 Prozent der Stimmen im seinen Amt bestätigt worden und führt nun alleine die Fraktion an.
Nach Einschätzung des SPD-Vorstandsmitglieds Ottmar Schreiner wird Lafontaines Rückzug vom Bundestags-Fraktionsvorsitz die politische Öffnung zur Linken erleichtern. Vielen Sozialdemokraten könnte es nun leichter fallen, das Verhältnis zur Linksfraktion zu entkrampfen, sagte er der "Saarbrücker Zeitung". Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sieht in Lafontaines Schritt dagegen kein Signal an die SPD. Ob die Linke als Koalitionspartner auch im Bund infrage komme, sei "eine rein inhaltliche Frage, die nicht von der SPD abhängt", sagte der frühere SPD-Bundesvorsitzende der "Rhein-Zeitung". Solange die Linke dafür sei, sofort aus Afghanistan abzuziehen und den EU-Vertrag nicht zu unterschreiben, könne man "nicht mal verhandeln".
Quelle: ntv.de, dpa/rts