Laufzeitverlängerung zeichnet sich ab Merkel will bis 15 Jahre mehr
29.08.2010, 17:43 UhrFür Bundeskanzlerin Merkel ist es "fachlich vernünftig", wenn die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke über den Austiegsbeschluss hinaus 10 bis 15 Jahre verlängert würden. Die Verlängerung wolle sie auf jeden Fall ohne Zustimmung des Bundesrats erreichen. Die SPD spricht von einer "knallharten Lobby-Politik".
Die schwarz-gelbe Koalition will die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke um mindestens zehn Jahre verlängern. Nach der Vorlage eines Experten-Gutachtens sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der ARD, sie halte eine Laufzeit-Verlängerung um zehn bis 15 Jahre für "fachlich vernünftig". SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte die Entscheidung als "knallharte Lobby-Politik".
Merkel sagte, das Gutachten habe ergeben, dass eine Verlängerung im zweistelligen Bereich notwendig sei. Hier seien die besten Ergebnisse bei Versorgungssicherheit, Strompreis und CO2-Verringerung zu erwarten. Daneben müsse noch geklärt werden, wie die Sicherheit der Atom-Meiler bei der Laufzeit-Verlängerung gewährleistet werden könne. Außerdem müsse die Verlängerung so gestaltet werden, dass diese ohne Zustimmung des Bundesrats erfolgen könne, wo Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr habe.
Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte der "Wirtschaftswoche", aus dem Gutachten gehe hervor, dass der volkswirtschaftliche Nutzen bei einer Laufzeitverlängerung von zwölf oder 20 Jahren höher sei als bei den Extrem-Varianten mit vier und 28 Jahren. "Deshalb sollten wir uns dazwischen einigen." Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) sagte im ZDF ohne Bezug auf das Gutachten, er plädiere für zehn bis 15 Jahre längere Laufzeiten.
Gabriel: knallharte Lobbypolitik
SPD-Chef Gabriel erklärte in Berlin, Merkels Festlegung zeige, "es geht nicht um ein zukunftsfähiges Energiekonzept, sondern um knallharte Lobbypolitik für die Atomkonzerne". "Indem sie alte Atomkraftwerke ... länger laufen lassen will, verkauft sie die Sicherheit der Bevölkerung."
Wie mehrere Zeitungen berichteten, kommt das Gutachten zu dem Schluss, dass bei zwölf Jahren mehr Laufzeit der Strompreisanstieg für Privathaushalte um vier Prozent gedämpft würde, bei zwanzig Jahren um sieben Prozent. Die Treibhausgasemissionen würden um zehn bis 16 Prozent reduziert, berichteten "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Stuttgarter Zeitung" und "Focus".
Bei Ausstieg würden Preise nicht steigen
Wie die "Berliner Zeitung" und das "Handelsblatt" berichteten, wären ohne Laufzeit-Verlängerung massive Stromimporte aus dem Ausland notwendig. Die Strompreise würden bei einem schnellen Ausstieg aber nicht steigen, hieß es unter Berufung auf Regierungskreise. Die Bundesregierung hatte am Freitagabend das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten erhalten.
Am Wochenende berieten Fachleute von Wirtschafts- und Umweltministerium darüber. Das Gutachten soll in der kommenden Woche veröffentlicht werden. Bis Ende September will Schwarz-Gelb über die Laufzeiten-Verlängerung entscheiden und die künftige Atompolitik in ihr geplantes Energiekonzept einbetten.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP