Streitfall EM-Boykott Polen bittet um Rücksicht
02.05.2012, 22:18 Uhr
Das neue Nationalstadion Polens in Warschau.
(Foto: REUTERS)
Dem polnischen Präsidenten Komorowski ist sehr daran gelegen, die Diskussion um einen Boykott der Fußball-EM möglichst schnell und umfassend zu beenden. Er sieht nicht nur die denkbaren Probleme für sein Land, sondern auch die Fortschritte in der Ukraine bedroht. Also bittet er um eine Chance.
Der polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski hat sich gegen einen Boykott der Ukraine wegen der Behandlung von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko ausgesprochen. "Boykott-Appelle sind angesichts der bestehenden Lage in der Ukraine völlig unangemessen", sagte er im polnischen Fernsehen. Er verfolge die Boykottdrohungen im Vorfeld der Fußball-EM "mit größter Unruhe".
Bronislaw Komorowski fürchtet großen Schaden.
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Polen ist zusammen mit der Ukraine Gastgeber der EM, die im Juni beginnt. "Es besteht das Risiko, dass ein verpfuschtes Fußballfest in der Ukraine durch einen Boykott auch für uns Verlust und vergeblichen Einsatz von Kraft und Geld bedeuten würde", zeigte sich Komorowski besorgt. Die EM solle für die Ukraine eine Chance sein zu zeigen, dass sie sich um die Annäherung an den Westen bemühe: "Das alles ist jetzt bedroht."
Ein Vergleich zu den bisherigen sportlichen Boykotten Olympischer Spiele wie 1980 in Moskau und in Peking 2008 hinke, betonte Komorowski. In beiden Fällen sei es um blutige Auseinandersetzungen gegangen wie den Krieg in Afghanistan und die Niederschlagung der Freiheitsbewegung in Tibet. "Die Situation in der Ukraine ist eine ganz andere."
Trotz des anhaltenden Widerstands aus der Ukraine will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die inhaftierte Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko weiter nach Deutschland holen. Es sei wichtig, "alles dafür zu tun", dass Timoschenko "schnell die richtige Behandlung für ihre Erkrankung bekommt", sagte Merkel dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte die Ukraine vor Folgen für die EU-Annäherung.
Westerwelle weiß noch nicht
Das Angebot der Bundesregierung für eine medizinische Betreuung Timoschenkos in Deutschland stehe, sagte Merkel. Die an Bandscheiben-Problemen leidende Timoschenko verbüßt in der Ukraine derzeit eine siebenjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs während ihrer Zeit als Regierungschefin. Ihre Verurteilung gilt vielen im Westen als politisch motiviert. Die Oppositionspolitikerin will sich in der Ukraine nicht behandeln lassen und befindet sich nach Angaben ihres Anwalts seit fast zwei Wochen im Hungerstreik.
Aus Protest gegen den Umgang der ukrainischen Behörden mit Timoschenko forderten zahlreiche Politiker einen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine, die in wenigen Wochen gemeinsam mit Polen Gastgeber ist. Merkel ließ einen Besuch von EM-Spielen weiter offen. "So etwas entscheide ich immer kurzfristig", sagte sie. Insgesamt gebe die rechtsstaatliche Lage in der Ukraine aber "Grund zur Sorge".
Er wolle den "Gesprächsfaden" nicht abreißen lassen, aber der Assoziierungsvertrag zwischen EU und Ukraine könne nicht ratifiziert werden, wenn Kiew rechtsstaatlichen Maßstäben nicht gerecht werde, sagte Westerwelle mit Blick auf die Beitrittsbestrebungen der Ukraine dem ZDF. Als Mitglied des Europarates müsse Kiew seiner Verpflichtung zur Einhaltung menschenrechtlicher Mindeststandards nachkommen, sagte er.
Sollte Timoschenko weiterhin eine angemessene medizinische Versorgung verweigert werden, werde es während der Fußball-EM sicher Proteste geben, sagte der Minister weiter. Zu einem möglichen Boykott durch die Bundesregierung ergänzte er, darüber werde entschieden, "wenn die Entscheidung ansteht".
Quelle: ntv.de, dpa/AFP