Prozessauftakt gegen "Pussy Riot" "Schöne Mädchen" bleiben in Haft
20.07.2012, 17:08 Uhr
Die Untersuchungshaft für drei Mitglieder der russischen Punk-Band "Pussy Riot" wird zum Prozessauftakt um sechs Monate verlängert. Vor dem Gerichtssaal gibt es Tumulte, weltweit wird protestiert. Tschechische Schriftsteller schreiben an Putin: "Natürlich ist es für jeden Mann unangenehm, wenn ihn ein schönes Mädchen abweist, aber einen Mann Ihres Formats sollte das nicht beleidigen können."
Zum Auftakt des Prozesses gegen drei Mitglieder der regierungskritischen Frauen-Punkband Pussy Riot hat ein russisches Gericht die Untersuchungshaft der Angeklagten um ein halbes Jahr verlängert. Die seit März inhaftierten Musikerinnen blieben auf Antrag der Staatsanwaltschaft bis Januar 2013 in Haft, sagte eine Gerichtssprecherin. Ihnen drohen wegen eines "Punk-Gebets" gegen Präsident Wladimir Putin bis zu sieben Jahre Haft.
Der 22-jährigen Nadeschda Tolokonnikowa, der 29 Jahre alten Jekaterina Samuzewitsch und der 24-jährigen Marina Alechina wird "Rowdytum" vorgeworfen, das in Russland mit bis zu sieben Jahren Haft bestraft werden kann. Obwohl sie bereits seit mehr als vier Monaten in Untersuchungshaft sitzen, wurden sie nun erstmals einem Gericht in Moskau vorgeführt. Dabei wurden sie in den für Angeklagte in Russland vorgesehenen Käfig gesperrt.
Ihr erster Gerichtstermin wurde von einem hohen Medieninteresse begleitet. Vor dem Gerichtssaal spielten sich vor Beginn der Anhörung tumultartige Szenen ab, weil unzählige Journalisten sich in den Gängen drängten. Vor dem Gerichtsgebäude forderten dutzende Demonstranten die Freilassung des Trios. "Russland wird zu einem totalitären Staat", klagte Stanislaw Samuzewitsch, der Vater einer der Angeklagten. "Das ist ein politischer Prozess", sagte einer der Anwälte der Band, Mark Feigin. Er warf den Behörden vor, die Gruppe aus politischen Motiven zu unterdrücken. Er forderte die Vorladung von Putin als Zeuge. Dies lehnte das Gericht aber ab.
Die Punkband Pussy Riot hatte im Februar in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau ein "Punk-Gebet" gegen Putin gesungen, der damals als Ministerpräsident vor seiner Rückkehr in den Kreml stand. Darin hieß es: "Maria, Mutter Gottes – verjage Putin!" Die Band hatte in den vergangenen Monaten mehrere spontane Protestkonzerte abgehalten, unter anderem auf dem Roten Platz. Bei ihren Auftritten tragen die Sängerinnen Strickhauben, die ihre Gesichter verdecken.
Künstlerszene soll "platt gemacht" werden
An dem "Punk-Gebet" waren mehrere Mitglieder der Band beteiligt, drei von ihnen wurden festgenommen. Ihre Inhaftierung ist höchst umstritten. Mehr als hundert russische Schauspieler, Regisseure und Musiker forderten vergangenen Monat ihre Freilassung. Amnesty International erklärte, ihre Protestaktion erfülle "allenfalls den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit". Es sehe aber so aus, als solle an den Musikerinnen ein Exempel statuiert werden.
Mit einem Protestbrief an Kremlchef Wladimir Putin fordern tschechische Schriftsteller mit Nachdruck die Freilassung der Musikerinnen. "Natürlich ist es für jeden Mann unangenehm, wenn ihn ein schönes Mädchen abweist und kritisiert, aber einen Mann Ihres Formats sollte das nicht beleidigen können", heißt es in der bissigen Satire von Jaroslav Rudiš und Igor Malijevský. "Wir halten es für eine Unverschämtheit, dass Menschen für Regimekritik in Haft landen", sagte Rudiš. Er fühle sich an die Verfolgung von Musikern in der kommunistischen Tschechoslowakei erinnert.
In Berlin kritisierten die Grünen-Politiker Marieluise Beck und Volker Beck das Vorgehen scharf. Mit der Verhandlung wolle die Justiz die Künstlerszene "platt machen", hieß es in einer Mitteilung. Stefan Liebich von der Linkspartei sprach von einer "absurden Verfolgung".
Quelle: ntv.de, AFP/dpa