Politik

Geiselnahme in der Ostukraine OSZE fordert Freilassung ihrer Beobachter

Die OSZE ringt um die Freilassung der gefangenen Militärbeobachter.

Die OSZE ringt um die Freilassung der gefangenen Militärbeobachter.

(Foto: imago/ITAR-TASS)

Sind sie "Gäste" oder "Kriegsgefangene"? Fest steht, dass Separatisten in der Ostukraine OSZE-Beobachter festhalten. Einen Schweden lassen sie allerdings frei. Die OSZE-Vorsitzende fordert nun die Freilassung der restlichen Militärbeobachter. Derweil kommt es in Donezk zu weiteren Übergriffen.

Der Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE), der Schweizer Außenminister Didier Burkhalter, hat die Freilassung der restlichen Militärbeobachter gefordert, die von prorussischen Separatisten in der Ostukraine festgehalten werden. In einer von der OSZE veröffentlichten Erklärung verurteilte Burkhalter die Festsetzung der Gruppe. Auch die Bundesregierung hat die sofortige Freilassung der OSZE-Mitarbeiter gefordert.

Zuvor hatten prorussische Kräfte in der Ostukraine nach eigenen Angaben einen der festgesetzten OSZE-Militärbeobachter aus medizinischen Gründen freigelassen. Der Schwede leide unter Diabetes, sagte eine Sprecherin der Aktivisten in Slawjansk. Der Schwede verließ das von Milizen besetzte Rathaus der Stadt unter Begleitung von zwei OSZE-Unterhändlern. "Was die anderen betrifft, dauern die Verhandlungen an", sagte die Sprecherin.

Vertreter der OSZE hatten mit Anführern der Aktivisten verhandelt. Anders als von der ukrainischen Übergangsregierung angekündigt, wird jedoch OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier nicht nach Kiew reisen. Das sagte eine Sprecherin der Organisation.

"Wegen Spionage" festgesetzt

Seit Freitag halten moskautreue Aktivisten mehrere OSZE-Beobachter "wegen Spionage" in ihrer Gewalt, darunter vier Deutsche. Der örtliche Separatistenführer Wjatscheslaw Ponomarjow hatte zuvor mitgeteilt, mit der OSZE im Kontakt zu stehen. Aufgrund der sich verschärfenden Krise planen USA und EU die Verabschiedung weiterer Sanktionen gegen Russland.

Ein schwedischer Militärbeobachter wurde von den Separatisten aus medizinischen Gründen freigelassen.

Ein schwedischer Militärbeobachter wurde von den Separatisten aus medizinischen Gründen freigelassen.

(Foto: REUTERS)

In Slawjansk hatten die Separatisten zuvor die festgesetzten Militärbeobachter der Presse präsentiert. Sie seien Offiziere im Dienste der OSZE mit "diplomatischem Status", sagte der deutsche Oberst Axel Schneider, der als Sprecher der Gruppe diente. Ihre Festnahme werde zweifellos den Milizen als "politisches Instrument" bei den Verhandlungen dienen. "Das ist keine Überraschung. Ich kann nicht einfach nach Hause gehen", sagte Schneider. Ihm zufolge sind die Gefangenen bei guter Gesundheit. Zu der Pressekonferenz eingeladen hatte der Separatistenführer und selbst ernannte Bürgermeister Ponomarjow.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verurteilte die öffentliche Vorführung der Beobachter. "Die heute erfolgte öffentliche Zurschaustellung der OSZE-Beobachter und der ukrainischen Sicherheitskräfte als Gefangene ist abstoßend und verletzt in eklatanter Weise die Würde der Betroffenen", erklärte er in Berlin. Das Vorgehen der prorussischen Milizionäre sei "ein Verstoß gegen jede Regel des Umgangs und alle Standards, die gerade für spannungsgeladene Situationen wie diese gemacht sind".

Klarstellung aus Berlin

Das Bundesverteidigungsministerium präzisierte derweil den Status der Gefangenen. Demnach war die Entsendung von Beobachtern in die Ukraine mit der OSZE abgestimmt. "Es handelt sich hierbei nicht um eine bilaterale Maßnahme, sondern um eine abgestimmte OSZE-Mission auf Einladung der Ukraine", sagte ein Sprecher des Ministeriums. Diese Inspektionen in der Ukraine gebe es bereits seit März. "Deutschland ist die vierte Nation, die hierbei die Führung übernommen hat." Sinn der Inspektionen sei es, Transparenz und Vertrauen zu schaffen. "Dafür ist es notwendig, neutrale Beobachter unter dem Dach der OSZE auch in die Krisengebiete zu entsenden."

Nach Darstellung der OSZE handelt es sich nicht um Mitglieder der diplomatischen Mission der Organisation, sondern vielmehr um eine Mission unter Leitung der Bundeswehr, die auf Einladung der Regierung in Kiew unterwegs sei. Die Inspektion nach dem "Wiener Dokument" hat nicht das breite Mandat einer OSZE-Mission, sondern wurde allein unter den Staaten selbst vereinbart.

"Wir sind keine Kriegsgefangenen"

Schneider sagte auf der Pressekonferenz: "Wir sind Gäste von Ponomarjow. Wir sind keine Kriegsgefangenen." Vorbedingungen für ihre Freilassung seien ihnen nicht bekannt, ebenso wenig ein Zeitpunkt. Das festgesetzte OSZE-Team sei zunächst in einem Keller untergebracht gewesen, seit Samstag dann in einen Aufenthaltsraum mit Tageslicht, Heizung und Klimaanlage.

Das ukrainische Militär hat die Stadt Slawjansk abgeriegelt.

Das ukrainische Militär hat die Stadt Slawjansk abgeriegelt.

(Foto: REUTERS)

Ponomarjow sagte dagegen, die Männer seien "Spione" und würden als "Kriegsgefangene" angesehen. Die Separatisten wollen die ukrainischen Soldaten gegen inhaftierte Gesinnungsgenossen austauschen.

Das OSZE-Team, das sich weiterhin in Gefangenschaft befindet, besteht aus drei deutschen Soldaten, einem deutschen Dolmetscher sowie einem Dänen, einem Polen, einem Tschechen sowie vier oder fünf ukrainischen Soldaten.

Ponomarjow sagte, dass er "keinen direkten Kontakt mit Moskau" habe. Ihm zufolge wurden in Slawjansk mittlerweile auch drei weitere ukrainische Offiziere gefangengenommen, die auf einer "Spionagemission" gewesen seien. Die Separatisten präsentierten im russischen Staatsfernsehen drei geknebelte Männer. Der ukrainische Geheimdienst SBU bestätigte die Festsetzung von Agenten.

Weiterer Zwischenfall in Donezk

In der Ostukraine kam es derweil zu einem weiteren Zwischenfall mit OSZE-Beobachtern. Ein Team der OSZE-Beobachtermission sei in der Region Donezk bei einem Checkpoint von prorussischen Kräften angehalten worden, teilte ein OSZE-Sprecher in Wien mit. Zwei Teammitglieder seien kurzzeitig im Verwaltungsgebäude von Jenakijewo festgehalten worden. Lokale Polizeieinheiten hätten erwirkt, dass die beiden Mitarbeiter der Beobachtermission wohlbehalten das Gebäude verlassen konnten. In Donezk besetzten zudem prorussische Aktivisten ein Funkhaus. Die Demonstranten hissten die Fahne der separatistischen Donezker Volksrepublik und kündigten einen eigenen Sendebetrieb an, berichteten örtliche Medien. Zuvor hatten Hunderte Teilnehmer einer Kundgebung gefordert, ukrainische Sendungen durch ein russisches Programm zu ersetzen.

In Berlin tagte am Wochenende ein Krisenstab im Auswärtigen Amt. Außenminister Steinmeier mahnte zugleich Hilfe von Moskau an. "Russland steht in der Pflicht, auf die Separatisten einzuwirken, damit sie die festgehaltenen Mitglieder der OSZE-Mission schnellstmöglichst auf freien Fuß setzen", sagte der Minister. Man arbeite im engsten Kontakt mit der OSZE daran, eine gute Lösung herbeizuführen. Der ukrainische Interimsregierungschef Arseni Jazenjuk erklärte, das Festsetzen der OSZE-Beobachter verdeutliche, dass Moskau Aktivisten unterstütze, die "mittlerweile ganz Europa terrorisieren".

Die Linke rügte, Bundesregierung und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hätten mit der Entsendung der Gruppe unklug und "zutiefst unprofessionell" gehandelt. "Die Frage ist doch: Warum gerade jetzt und im Osten des Landes?", sagte der Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss, Alexander S. Neu.

Slawjansk ist seit Wochen in der Gewalt bewaffneter prorussischer Gruppen, die ukrainische Armee hat die Zugänge zu der Industriestadt abgeriegelt, will aber nicht intervenieren. Auch in mehreren weiteren Städten der Region haben prorussische Gruppen Polizeiwachen und Verwaltungsgebäude besetzt. Russland hat weitere zehntausende Soldaten an der Grenze zur Ukraine stationiert, um nach Ansicht des Westens Druck auf Kiew auszuüben.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP

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