Politik

Stichtag 1. November Wehrpflicht wird ausgesetzt

Die Politik unterzieht die Bundeswehr wohl noch vor dem Ende des Jahres der umfassendsten Umgestaltung seit ihrer Gründung. Nach Medienberichten wird die allgemeine Wehrpflicht bereits zum 1. November ausgesetzt - ohne Parlamentsbeschluss. Noch dementiert das Ministerium die Pläne, obwohl dessen eigener Chef auf Reformen pocht.

Die Wehrpflicht wurde 1956 eingeführt.

Die Wehrpflicht wurde 1956 eingeführt.

(Foto: dpa)

Das Bundesverteidigungsministerium will Medienberichten zufolge die Wehrpflicht bereits zum 1. November aussetzen. Das berichteten der Deutschlandfunk sowie das Nachrichtenmagazin "Focus" übereinstimmend. Damit würden laut "Focus" bereits zum Stichtag am 1. Januar keine Wehrdienstleistenden mehr eingezogen, auch wenn noch keine formale Entscheidung über die Aussetzung der Wehrpflicht getroffen sein sollte. Das Bundesverteidigungsministerium weist die Berichte zurück: "Das kann ich ganz klar dementieren", sagte ein Ministeriumssprecher.

Etwas muss an den Berichten jedoch dran sein - auch wenn der Stichtag nicht der 1. November sein sollte. So äußerte sich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in einem Interview eindeutig zu seinen Überlegungen, die Wehrpflicht abzuschaffen. "Bei einer hochprofessionellen, bestens ausgerüsteten und flexiblen Einsatzarmee haben Sie kaum noch Kapazitäten, Rekruten auszubilden", sagte er in einem Interview. Zudem sei es eine "grundsätzlich erkannte Notwendigkeit", dass die Strukturen der Bundeswehr geändert werden müssten: "Wir müssen in den kommenden Jahren Milliardenbeträge einsparen. Sparen ohne Reform ist nicht denkbar."

Willen der FDP umgesetzt

Zuvor hatte die FDP von Guttenberg eine schnelle Entscheidung über die endgültige Abschaffung der Wehrpflicht gefordert. "Vor dem nächsten Einberufungstermin am 1. Oktober sollte Klarheit über die Zukunft der Wehrpflicht bestehen", sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Elke Hoff, dem "Hamburger Abendblatt". "Es wäre gut, wenn im September ein entscheidungsreifer Vorschlag des Ministers auf dem Tisch liegen würde, ob es bei sechs Monaten Wehrpflicht bleibt oder ob die Aussetzung kommt."

Theodor zu Guttenberg will den Sparzwang zur Reform nutzen.

Theodor zu Guttenberg will den Sparzwang zur Reform nutzen.

(Foto: dpa)

Angesichts der Haushaltslage könne nicht eine Wehrpflicht aufrechterhalten werden, die für eine Armee im Einsatz gar keinen Nutzen mehr habe, betonte Hoff. "Der Abbau von Zeit- und Berufssoldaten macht nur dann Sinn, wenn gleichzeitig auch die Wehrpflicht ausgesetzt wird."

Band zwischen Gesellschaft und Armee

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, sprach sich hingegen für das Festhalten an der Wehrpflicht aus. Sie sei "das Instrument, Gesellschaft und Bundeswehr miteinander zu verbinden", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Wohin das führen kann, wenn dieses Band nicht vorhanden ist, haben wir in unserer Geschichte mehrmals sehen können."

Zugleich übte Kauder scharfe Kritik an Guttenberg, der kurzfristig eine Abschaffung ins Gespräch gebracht hatte. Es gehe nicht, "dass überfallartig, von Donnerstag auf Montag, ein Beschluss gefasst werden soll, die Wehrpflicht abzuschaffen". Die Kanzlerin sehe das auch so, betonte Kauder und fügte hinzu: "Und jetzt nehmen wir uns auch mehr Zeit zur Prüfung."

Planungen auch ohne W6-er

Nach Informationen der "Frankfurter Rundschau" plant das Verteidigungsministerium längst mit der Abschaffung der Wehrpflicht und einer massiv verringerten Truppenstärke. Ungeachtet des Versprechens Guttenbergs, eine Aussetzung der Wehrpflicht "ergebnisoffen" zu prüfen, habe sein Generalinspekteur Volker Wieker am Donnerstag die Inspekteure der Teilstreitkräfte angewiesen, nur noch mit einer Truppenstärke von 150.000 Soldaten zu planen. 40.000 Berufs- und Zeitsoldaten sollen demnach bis 2014 entlassen, neue Rekruten schon von kommendem Jahr an nicht mehr eingezogen werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Donnerstag erstmals die Bereitschaft zu einer Abkehr von der Wehrpflicht erkennen lassen. In der Bundeswehr müsse es "einen zukunftsweisenden Strukturwandel" geben, wobei auch über ein Aussetzen der Wehrpflicht nachgedacht werden dürfe, sagte sie.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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