Die offizielle türkische Sicht "Westliche Medien verharmlosen den Putsch"
21.07.2016, 13:51 Uhr
"Nein zum Putsch, Ja zur Demokratie", steht auf dem Banner, dass Demonstranten bei dieser Kundgebung in Istanbul hochhalten.
(Foto: dpa)
Die staatliche Nachrichtenagentur der Türkei wirft westlichen Medien vor, den Putsch vom vergangenen Freitag nicht als Sieg der Demokratie zu beschreiben. Stattdessen werde Präsident Erdogan kritisiert.
Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu hat westlichen Medien vorgeworfen, den vereitelten Militärputsch zu "verharmlosen". Statt über den Staatsstreich zu berichten, konzentrierten sich westliche Zeitungen und Sender darauf, "die Antwort der gewählten Regierung auf den verhinderten Putsch zu kritisieren", heißt es in einem Artikel der Agentur.
Anadolu ist im Besitz der türkischen Regierung und gilt spätestens seit den Gezi-Protesten 2013 als Verlautbarungsorgan der türkischen Regierung. Deren Darstellung, dass es sich bei dem Putschversuch um ein Komplott der "Gülenistischen Terrororganisation" beziehungsweise der "Parallelstaatsstruktur", wird von Anadolu als Tatsache übernommen.
Der Artikel von Anadolu, der auch von der englischen Ausgabe der regierungsnahen Zeitung "Sabah" veröffentlicht wurde, beschreibt sehr gut die zwei Perspektiven, die man zum Putsch einnehmen kann. Man kann die Niederschlagung des Putsches als demokratischen Erfolg ansehen, als Moment einer überparteilichen Reaktion auf einen undemokratischen Staatsstreich. Und man kann die Reaktion der türkischen Regierung als überzogen ansehen, als ersten Schritt in Richtung der Etablierung eines autoritären Regimes.
Westliche Medien übersähen die Tatsache, so Anadolu, "dass das türkische Volk auf die Straßen ging, um die Demokratie und die Herrschaft des Rechts gegen gesetzlose Putschisten zu verteidigen". Die britische BBC etwa habe in einem Artikel den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als Herrscher dargestellt, der sein Land spalte. Dabei ignoriere der Sender, "dass Menschen aller Teile des Landes und aller politischen Überzeugungen auf die Straßen eilten, um den illegalen Putschversuch aufzuhalten".
Der Anadolu-Artikel zitiert unter anderem auch einen Tweet der "New York Times", in dem es heißt: "Die Erdogan-Anhänger sind Schafe, und sie werden alles tun, was er sagt." In dem Bericht der Zeitung, auf den der Tweet verlinkt, komme dieses Zitat jedoch nicht vor, was ein "starkes Indiz für parteiischen Journalismus" sei. Auf Twitter erklärte die "Times", der Satz beziehe sich auf eine frühere Version des Artikels; offenbar wurde er später gestrichen. Im noch existierenden Tweet ist zu erkennen, dass es sich nicht um eine direkte Aussage der Zeitung handelte, sondern um ein Zitat.
Was tatsächlich passiert sei, sei "völlig anders" gewesen als von der "New York Times" dargestellt, so Anadolu. "Viele Bürger ohne politische Bindung – oder mit Bindungen an die wichtigsten Oppositionsparteien des Landes (darunter sowohl die Republikanische Volkspartei CHP als auch die Partei der Nationalistischen Bewegung MHP) – nahmen ebenfalls an den Anti-Putsch-Demonstrationen teil". Von Anadolu nicht erwähnt wird die prokurdische Oppositionspartei HDP, deren Spitze sich - wie übrigens auch der Prediger Fethullah Gülen - ebenfalls gegen den Staatsstreich gestellt hatte.
Quelle: ntv.de, hvo