Zu Tode gequältUSA diskutieren Giftspritze
Der Tod mit der Giftspritze kann qualvoll sein - und oft ist er es. Kein Haustier in Florida dürfe per Gesetz so eingeschläfert werden, argumentieren Gegner der Todesstrafe.
Er blinkte wiederholt mit den Augen, dann hob und senkte sich seine Brust, und danach gab es kein Lebenszeichen mehr. So beschrieben Augenzeugen die letzten Minuten im Leben von Clarence Hill, der im September in Starke (Florida) mit der Giftspritze hingerichtet wurde. Das klingt nach einem friedlichen Einschlafen, aber hätte es ein Aufbäumen in Todesqualen gegeben, wäre es auch gar nicht sichtbar gewesen. Denn Hill war bei seiner Exekution nicht nur mit Armen und Beinen, sondern auch mit dem Kopf auf der Bahre festgeschnallt -ein seltenes Vorgehen bei Exekutionen.
Wie schmerzhaft ist die Hinrichtung durch die Giftinjektion - darüber wird in den USA immer heftiger gestritten. Mehr noch: In mehreren Bundesstaaten sind alle Hinrichtungen ausgesetzt worden, bis die Frage geklärt ist oder alternative Exekutionsmethoden gefunden worden sind. Und es war Hill, der diese Lawine lostrat.
Er hatte bereits im Januar vor der Hinrichtung gestanden, dann setzte das Oberste Gericht die Exekution des verurteilten Polizistenmörders in letzter Minute aus. Die Verteidigung hatte argumentiert, dass das Sterben durch die Injektion qualvoll und daher als "grausame und ungewöhnliche Bestrafung" verfassungswidrig sei, und der Supreme Court sprach dem Delinquenten das Recht auf gerichtliche Anfechtung der Methode zu. Das nützte Hill zwar am Ende nichts, denn zuständige niedrigere Instanzen in Florida schmetterten die Berufungsanträge postwendend ab, ohne ihm auch nur eine Anhörung zu gewähren. Aber Dutzende andere Häftlinge blieben dank seines Vorstoßes zumindest vorläufig vom Henker verschont, und manche können sogar hoffen, dass die Debatte um die Giftspritze in ihrem Bundesstaat ein dauerhaftes Hinrichtungsmoratorium bewirkt.
Todesstrafen - Befürworter halten die Diskussion für absurd - wie Angehörige des von Hill getöteten Polizisten. Sie meinen, es sei himmelschreiend, sich "wegen ein paar Schmerzen" von Mördern aufzuregen, die selbst keinen Funken Mitleid für ihre Opfer gehabt hätten. Kein Haustier in Florida dürfe per Gesetz so eingeschläfert werden wie Hill getötet worden sei, sagt dagegen Mark Elliott von der Organisation "Alternativen zur Todesstrafe" in Florida.
Die Giftspritze ist seit langem die bevorzugte Hinrichtungsmethode in den USA. Etwa 880 der rund 1.050 seit Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahr 1976 exekutierten Häftlinge starben durch die Transfusion eines "Cocktails" von meistens drei Chemikalien. Das Barbiturat Thiopental wird zur Betäubung eingesetzt und Pancuroniumbromid zur Lähmung der Muskeln mit Ausnahme des Herzens, das dann mit Kaliumchlorid zum Stillstand gebracht wird.
Schon im Jahr 2005 hatten Ärzte gewarnt, dass diese Art von Hinrichtung häufig mit Schmerzen verbunden sei. In vielen Fällen sei die verabreichte Dosis des Betäubungsmittels zu gering, um den Verlust des Bewusstseins zu erreichen, hieß es in einer im britischen Fachmagazin "Lancet" veröffentlichten Studie, die auf den Ergebnissen von Obduktionen Hingerichteter basierte.
Ärzte weigerten sich zu töten
Mehrere US-Staaten, in denen die Exekution durch die Giftspritze inzwischen gerichtlich angefochten wurde, sahen in der Anwesenheit von Anästhesisten bei Hinrichtungen eine Lösung. Sie, so wurde argumentiert, könnten eine ausreichende Betäubung gewährleisten. Aber das funktionierte nicht: Sämtliche von den Behörden angeschriebenen Ärzte lehnten aus ethischen Gründen eine Beteiligung an Exekutionen ab -so in Kalifornien, wo alle Hinrichtungen ausgesetzt sind und am 26. September Anhörungen zum Thema Giftspritze beginnen sollen.
Die Kontroverse um den "Giftcocktail" hat auch in Delaware, Arkansas, South Dakota und New Jersey dazu geführt, dass die Todeskammern vorerst leer bleiben. Am Spektakulärsten ist jedoch der Fall Missouri. Hier hatte ein Mediziner, der schon 20 Mal vorher in seiner Karriere wegen ärztlicher Fehler verklagt worden war, dutzende Exekutionen geleitet. Nach dem Hinrichtungsaufschub für einen Häftling stellte sich bei Untersuchungen heraus, dass er nur die Hälfte der vorgeschriebenen Menge an Betäubungsmittel für den Delinquenten vorbereitet hatte. Bei weiteren Nachforschungen wurden ähnliche Fehler bei vollzogenen Hinrichtungen entdeckt. Der Arzt gab zu, dass er an Legasthenie leide und Probleme mit Zahlen habe.
(Gabriele Chwallek, dpa)