Bundeswehr schafft G36 ab "Mangelnde Treffsicherheit elegant beerdigt"
08.09.2015, 21:40 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Bundeswehr trennt sich von ihrem Standardgewehr, dem G36. Die alten Waffen haben ausgedient, zehntausend neue müssen her. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verkauft den Schritt als große Neuerung, dabei hätten die Waffen eh ausgetauscht werden müssen, kritisiert die deutsche Presse.
Die Märkische Oderzeitung schreibt: "Es ist doch merkwürdig, dass die angeblichen Unzulänglichkeiten des G36 erst nach beinahe 20-jährigem Gebrauch aufgefallen sein sollen - nachdem zuvor weder aus der Truppe selbst noch von den ausländischen Kunden je Klagen laut geworden waren. Welche Rücksichten hätten Letztere denn nehmen müssen? Angesichts der internationalen Konkurrenz." Der Eindruck dränge sich auf, dass die Ministerin in der aufkommenden Diskussion eine Gelegenheit sah, Entscheidungsfreude und Tatkraft zu demonstrieren. Das Problem: Die neu zu entwickelnde, alles könnende Waffe wird es erst in einigen Jahren geben. "Bis dahin bleibt die Truppe wohl am besten in der Kaserne. Etwas anderes wäre gar nicht zu verantworten."
Von der Leyen und ihre Staatssekretärin Katrin Suder müssen nun beweisen, dass sie milliardenschwere Beschaffungsvorhaben besser managen können als ihre Vorgänger, konstatiert die Ludwigsburger Kreiszeitung. Dass sie die Anforderungen an das Produkt präzise formulieren können. "Sie werden erklären müssen, warum sie ein Gewehr ausmustern, das selbst vom Ministerium beauftragte Experten für eine 'nach wie vor zuverlässig funktions- und betriebssichere Waffe' halten." Was sich mit den Erfahrungen anderer Armeen decke, die das G 36 im Einsatz haben. "Es ist nun Aufgabe des Parlaments, der Frage nachzugehen, ob das G36 tatsächlich ein Rüstungsflop ist und entsorgt gehört, oder ob es von der Leyen vor allem darum geht, eigene Tatkraft zur Schau zu stellen."
Ursula von der Leyen mustert alle G36 aus, stellt die Südwest Presse fest. "Na endlich, möchte man sagen. Doch auf den zweiten Blick wird deutlich: Die Verteidigungsministerin verkauft routinierten Dienst als entschlossenen Schritt. Denn die krumme Knarre aus Schwarzwälder Produktion landet nicht im Schrottcontainer, weil sie im heißen Klima deutscher Auslandsexpeditionen nicht trifft, wie sie soll, sondern weil ohnehin alle 20 bis 25 Jahre neue Gewehre gekauft werden müssen - Abnutzung und technischer Fortschritt erfordern das. Die Peinlichkeit der mangelnden Treffsicherheit ist ganz nebenbei elegant beerdigt."
Wer diese Entscheidung beeinflusst habe, sei für die Nürnberger Zeitung nicht schwer zu erraten: Es war die neue für Beschaffung zuständige Staatssekretärin Katrin Suder. "Die ehemalige McKinsey-gestählte Managerin urteilt nüchtern, praktisch, ökonomisch. Und eben nicht in militärischen Kategorien; danach haben Traditionsfirmen wie Heckler & Koch einen Vertrauensvorschuss." Was dem Blatt zufolge das lange Zaudern erkläre, bis es zu längst fälligen Schnitt kam.
Für die Nürnberger Nachrichten sei noch immer unklar, wie schlecht das G36 tatsächlich schießt. "Diverse Gutachten, ja selbst die Soldaten der Bundeswehr, widersprechen sich in dieser Frage. Nur von der Leyen hat sich festgelegt: Das Gewehr muss weg, koste es, was es wolle." Sie präsentiere sich damit als eine, die im verfilzten militärisch-industriellen Komplex aufräumt - was vielleicht der tiefere Sinn der Aktion sei, so die Zeitung.
Zusammengestellt von Lisa Schwesig.
Quelle: ntv.de