AfD verbrennt Geld Bernd Lucke will keinen Schirm
16.09.2013, 16:17 Uhr
AfD-Chef Bernd Lucke hat in den letzten Monaten gelernt, mit den Medien umzugehen. Inzwischen ist er in Auftritt und Ansprache fast nicht mehr von einem professionellen Berufspolitiker zu unterscheiden.
(Foto: Hubertus Volmer / n-tv)
Deutschland erlebe derzeit die größte Geldvernichtung seit der Inflation von 1923, sagt AfD-Chef Lucke. Um das anschaulich zu machen, lädt seine Partei zu einer Inszenierung am Brandenburger Tor. Der Ortstermin zeigt: Die AfD ist in der Mediendemokratie angekommen. Nicht alle Anhänger finden das gut.
"Keinen Schirm, den will er nicht." Es nieselt, Bernd Lucke, Chef der eurokritischen Alternative für Deutschland, steht auf einem alten Feuerwehrauto, das jetzt als "Eurowehr" dient. Der Auftritt ist Teil einer Wahlkampfinszenierung am Brandenburger Tor in Berlin, Lucke hält eine kurze Rede, in der er über seine Ziele spricht und dazu aufruft, mit beiden Stimmen AfD zu wählen. Ein AfD-Mitglied tritt an das Fahrzeug, er will Lucke den Schirm hochbringen. Doch dessen Mitarbeiter winken ab.
Weder Regen noch schlechte Umfragewerte können Lucke etwas anhaben. Bevor er auf den Feuerwehrwagen steigt, gibt der Parteigründer mit der stoischen Ruhe eines Berufspolitikers ein Interview nach dem anderen und beantwortet dabei immer wieder die gleichen Fragen. Nähe zum Rechtspopulismus? Gebe es nicht. Kontakte zu anderen eurokritischen Parteien in Europa? Dafür habe man keine Zeit. Koalitionen? Nur denkbar, wenn der potenzielle Koalitionspartner in der Frage der Eurorettungspolitik die Position der AfD übernimmt. Schafft die AfD den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde? Lucke rechnet mit einem Ergebnis "in der Nähe der Zweistelligkeit".
Dass die AfD es in den Bundestag schaffen könnte, bestätigen die Meinungsforschungsinstitute - auch wenn ihre Zahlen das bisher nicht belegen. "Als reine Anti-Euro-Partei hatte sie keine Chance", sagte Forsa-Chef Manfred Güllner jüngst der "Bild am Sonntag". "Jetzt bedient die AfD aber ein rechtspopulistisches Potenzial, das latent in Deutschland immer vorhanden ist. Das könnte ihr über die Fünf-Prozent-Hürde helfen."
Lucke bemüht sich, den Eindruck zu zerstreuen, dass seine Partei rechtspopulistisch sei. Teilweise kommt es dabei zu eigenartigen Verrenkungen. In der Talkshow von Benjamin von Stuckrad-Barre beantwortete er die Frage nach dem "idealen Einwanderer" nach kurzem Nachdenken so: "Der ideale Einwanderer ist freundlich, aufgeschlossen, dunkelhäutig, mit einem freundlichen Lachen."
Größte Geldvernichtung seit der Inflation von 1923
Die vielen Interviews, die Talkshows, diese seltsame Inszenierung am Brandenburger Tor - auch wenn viele AfD-Mitglieder noch immer glauben, ihre Partei sei der von allen bekämpfte Underdog: Luckes AfD ist längst in der Mediendemokratie angekommen. Heute sind rund 150 Anhänger gekommen, um sich anzuschauen, wie EZB-Präsident Mario Draghi und Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem rostigen Ölfass Geld verbrennen. Die Kanzlerin wird von einer Frau gespielt, die sich eine übergroße Merkel-Maske vor das Gesicht gebunden hat, Draghi ist nur zu identifizieren, weil der Darsteller sich eine Banderole umgehängt hat, auf der der Name des Italieners steht. Am Ende kommt, man ahnt es, die "Eurowehr" und löscht das Feuer.
Bei den Lucke-Fans im Publikum kommt die Inszenierung gut an. Versammelt hat sich eine Mischung aus gepflegtem Bürgertum und trotzigen, nun ja, Querulanten. Modisch dominieren Trachtenjanker, Steppjacken und Anzüge. Ein Mann in einfacher Regenjacke mit einem AfD-Fähnchen in der Hand schimpft über die Politik. "Ist ja wie in der DDR hier", sagt er und meint die Übereinstimmung der Parteien im Bundestag bei der Eurorettung. "Die Menschen müssen endlich aufwachen!" Diese Position hört man von vielen der Anwesenden. "Das ist DDR light", sagt eine freundliche Dame über die deutsche Politik. Ein paar Meter weiter unterhalten sich zwei Frauen über die Grünen. "Der einzige, den ich bei denen akzeptiere, ist dieser Anwalt, der Ströbele. Die anderen kannste in der Pfeife rauchen." Dass AfD-Anhänger ausgerechnet den Linken Hans-Christian Ströbele schätzen, ist vielleicht nur auf den ersten Blick überraschend: Rebellentum passt zu der jungen Partei.
Lucke gibt derweil noch mehr Interviews. "It is essential for the well being of the eurozone and the European Union to create the possibility to leave the eurozone", sagt er einer kanadischen Journalistin. Später steigt er auf das Feuerwehrauto und hält seine Rede. Er spricht über den Euro, über Zuwanderung, die gesteuert werden müsse, und die Energiewende, die gescheitert sei. Deutschland erlebe derzeit die größte Geldvernichtung seit der Inflation von 1923, sagt er. Der Bundesregierung wirft er vor, 627 Milliarden Euro aufs Spiel zu setzen - ein Vielfaches von dem, was Deutschland für Familien, Bildung und Wissenschaft ausgebe. Wenn man ihm so zuhört, gewinnt man den Eindruck, das Geld sei bereits weg.
"Manches Geld ist aber auch objektiv schon weg", sagt er später im Gespräch mit n-tv.de. "Der Schuldenschnitt für Griechenland wird uns nach meiner Schätzung 50 Milliarden Euro kosten. Und dieser Schuldenschnitt kommt. Die Frage ist, wann die Regierung ihn vollzieht, aber de facto ist das Geld bereits weg, weil Griechenland nicht zurückzahlen kann." Dann muss er los. Bei seinen Anhängern stößt das große Medieninteresse auf Skepsis. "Warum spricht der mit denen, die senden das doch eh nicht", grummelt einer.
Quelle: ntv.de