Reise

"Geschoss auf Skiern" Fahrerflucht auf der Piste

Herrlicher Schnee, die Ski fahren fast von allein. Dann aber passiert es - ein Zusammenstoß ist nicht mehr zu vermeiden. Jeder vierte Skifahrer, der einen Unfall verursacht, begeht Fahrerflucht. Allein aus Tirol berichtete die Polizei in der ersten Februarwoche von fünf Fällen. Dreimal waren Kinder die Leidtragenden.

Bei so einem Gedränge kommt es leicht mal zu Zusammenstößen.

Bei so einem Gedränge kommt es leicht mal zu Zusammenstößen.

(Foto: dpa)

Vorsichtig fährt Mario hinter seinem Skilehrer her. Es ist eine leichte Piste, das Wetter ist herrlich, der Schnee optimal. Da rast von oberhalb ein 2-Meter-Hüne mit hoher Geschwindigkeit in die Gruppe, reißt den Fünfjährigen nieder. Der Junge ist für Minuten bewusstlos, der Kiefer zweimal gebrochen, in der Wange klafft eine riesige Schnittwunde. Der Raser macht sich aus dem Staub. Wie jeder vierte bis fünfte Skifahrer, der einen Unfall verursacht.

Diese Einschätzung nannte das Kuratorium für alpine Sicherheit in Innsbruck. "Aber wir kennen nur die Fälle, zu denen wir gerufen werden", sagt Hans Ebner, Leiter der Alpinpolizei im österreichischen Innenministerium, in Wien. Das ist dann der Fall, wenn ein Unfall tödlich ausgeht, jemand schwer verletzt wird oder bei der Behandlung eines Unfallopfers im Krankenhaus der Verdacht aufkommt, dass es einen unbekannten Beteiligten gibt.

"Viele Verrückte unterwegs"

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit in Wien geht sogar von 800 Fällen von Fahrerflucht pro Saison aus. Marios Unfall ist dabei ein krasses Beispiel. "Das war kriminell", sagte Skilehrer Manfred aus Kirchberg in Tirol, noch Tage nach dem Vorfall mit seinem Schützling merklich geschockt, im Gespräch mit der dpa. "Der Mann war ein Geschoss. Aber es sind viele Verrückte unterwegs", urteilt der Tiroler: "Das Gefahrenpotenzial auf der Piste ist groß. Zu Stoßzeiten sind die Pisten voll und es wird auch viel getrunken".

Der Leiter der Alpinpolizei des Bezirks Kitzbühel, Martin Hauz, sagt: "Abgesehen von Rücksichtnahme fehlt vielen Menschen auch das Bewusstsein darüber, dass sie sich strafbar machen". Karl Gabl, Präsident des Kuratoriums für alpine Sicherheit, räumt ein: "In den Kopf eines solchen Rüpels kann man natürlich nicht hineinschauen. Aber wenn einem selbst nichts passiert, unterschätzt man vielleicht auch, was so eine Kollision beim anderen verursachen kann. Man ist ja schnell einmal mit 40, 50 Stundenkilometern unterwegs".

Sich nach einem Unfall aus dem Staub zu machen, ist unanständig, kommt aber leider öfter vor.

Sich nach einem Unfall aus dem Staub zu machen, ist unanständig, kommt aber leider öfter vor.

(Foto: dpa)

Hinter einem Großteil der Unfälle vermuten die Experten Selbstüberschätzung. "Die Ausrüstung ist so perfekt geworden, dass die Ski sozusagen mit dem Fahrer durchgehen", sagt Gabl. "Man fährt sehr leicht sehr schnell, aber wenn es brenzlig wird, fehlt einfach das Können. Ausweichen, Abbremsen, das ist dann nicht mehr möglich." Die klassischen Rowdys sind dabei nicht mal die Jugendlichen, sondern oft ältere Skifahrer, hat Skilehrer Manfred beobachtet: "Die jungen Fahrer sind meist sehr gut ausgebildet und beherrschen den Ski."

Verfahren wegen Körperverletzung

Im Fall von Mario halfen die auffällige Körpergröße des Täters, eine genaue Beschreibung, die ein nachfolgender Skilehrer lieferte und eine rasch eingeleitete Fahndung via E-Mail, um den Raser ausfindig zu. Ein Gastgeber erkannte in einem 61-jährigen Niederländer, der überstürzt abreisen wollte, den Gesuchten und brachte ihn zur Polizei. Den Mann erwartet ein Verfahren wegen Körperverletzung.

Doch generell sind die Chancen für ein Unfallopfer, den Verursacher ausfindig zu machen, sehr gering. "Allein in Tirol haben wir in der Hochsaison täglich 80.000 Skifahrer", rechnet Alpinpolizist Hauz vor. Zudem ist ein Großteil der Pisten miteinander verbunden. "Suchen Sie da mal einen Skifahrer, männlich, ca. 1,80 Meter groß, blaue Skijacke, schwarzer Helm", sagt der Polizist.

Skilehrer Manfred ist trotz des schweren Unfalls weiter mit seiner kleinen Kursmannschaft unterwegs. "Aber die Stimmung ist gedrückt", sagt er. Und die Gruppe ist kleiner geworden. Nicht nur Unglücksopfer Mario fehlt, auch Konstantin, ein 8-jähriger aus Deutschland, erzählt Manfred: "Dem ging das so zu Herzen, der will nicht mehr auf den Berg".

Quelle: ntv.de, Irmgard Rieger, dpa

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