Von Eiland zu Eiland durchs Watt Hallig-Hopping zur Weihnachtszeit
20.12.2011, 08:21 Uhr
Wattwanderer gehen auf die Hallig Oland in der Nordsee zu.
(Foto: dpa)
Weihnachtszeit auf der Hallig - das bedeutet für den Pastor "Hallig-Hopping", um auf drei Eilanden nacheinander Gottesdienste zu feiern. Oland ist eine von ihnen. Wattwanderer können einer der kleinsten bewohnten Halligen auch im Advent besuchen - Andacht inbegriffen.
"Der Weg nach Bethlehem führte in diesem Fall übers Watt." Pastor Matthias Krämer hat heute eine volle Kirche. Die meisten Schäfchen sind aber dieses Mal nicht aus den umstehenden Häusern auf der Hallig Oland (Kreis Nordfriesland) gekommen, sondern sie sind übers schwindende Wasser gegangen, bei Ebbe über Watt geführt von Wattführer Boy Boysen aus Klanxbüll. Er bietet die Wattwanderung in unwirtlicher Zeit in Verbindung mit einer Andacht auf der Hallig Oland an.
Drei Stunden vor dem Kirchbesuch hatten sich 35 Menschen eher mittleren Alters eingefunden, um etwa 100 Minuten lang der Hallig und der Sonne entgegenzugehen. An den Allwetterjacken zerrte der Spätherbstwind und brauste über das in der Mittagssonne ablaufende Wasser. Wie ein Ameisenstrom glitzerte es.
"Das Watt!", kreischte eine Frau begeistert beim ersten Betreten des weichen Meeresbodens. Bei der Ankunft auf Oland waren einige Hosen nass und die Nasen rot. Gut, dass sich die Andacht in der kleinen Saalkirche anschloss. Sie wurde 1824 erbaut, der offene Glockenturm steht separat davor, auf dem kleinen Gottesacker, der neben der Kirche liegt. Auf den Grabsteinen steht überall derselbe Nachname. 15 Menschen wohnen dauerhaft auf einer der kleinsten bewohnten Halligen. Sie bietet den Oländern nicht nur eine eigene Kirche, sondern auch eine kleine Gastwirtschaft und eine Schule. Zwei Kinder lernen dort derzeit, erzählt Wattführer Boysen.
Die kleine Inselkirche verfügt über wenige Bänke, eine apricotfarben gestrichene Decke und ein Kruzifix aus dem 14. Jahrhundert. Das stammt noch aus einer früheren Kirche, die weiter draußen stand. Die kleine Gemeinde wartet mit einem eigenen Chor auf, drei junge Mitarbeiter von der Schutzstation Wattenmeer und eine Krankenschwester von Langeneß sind darunter. Von Langeneß kommt auch Pastor Krämer. Mit der Lorenbahn hat der 47-Jährige Einzug auf Oland gehalten. Es ist der erste Gottesdienst, den er in diesem Advent auf der kleinen Hallig hält. Das Wetter hat für die Ausfälle gesorgt.
Gottesdienst wetterabhängig
Jetzt steht Krämer in dem festlich erleuchteten Kirchlein und spricht vom zerstörten Jerusalem, davon, ob es gottverlassene Orte wirklich gibt. Draußen fährt der Wind durch die kahlen Bäume, drinnen begleitet Krämer die Gemeinde zu "Es kommt ein Schiff geladen". "Wir haben uns auf den Weg gemacht", sagt Krämer, wie Maria, wie die Freudenboten. Für das Weihnachtswetter allerdings kann der Pastor keine Freudenbotschaft verkünden: "Wettermäßig ist es ziemlich haarig angesagt ab Freitag. Falls das Wasser später kommt, würden wir am Heiligabend ab 14 Uhr Gottesdienst feiern."
Krämer ist für Langeneß, Oland und Gröde zuständig. Der Halligpastor reist am Heiligen Abend von Eiland zu Eiland, mit dem Postschiff und mit der Lorenbahn, je nach Wasserstand. Ebbe und Flut bestimmen den Ablauf. Auf Oland und Gröde hängt ein gebrauchter Talar für ihn, einen schwarzen Anzug hat er immer dabei. Manchmal bleibt auch etwas liegen: "An einem Karfreitag hatte ich mal die Noten vergessen", erinnert sich der aus Hamburg stammende Krämer, dessen erste Stelle ihn gleich nach Langeneß führte. "Gewöhnungsbedürftig" war für ihn, dass trotz vollständig versammelter Gemeinde die Kirche nicht voll war. 15 Oländer können die Saalkirche eben nicht füllen.
Heiligabend mehr los als sonst
Aber auch hier zwischen Land und Meer ist Heiligabend mehr los als sonst - bei "Land unter" aber fällt der Gottesdienst ins Wasser. Dann ist der Andrang am 25. Dezember umso größer. "Der Eiswinter im letzten Jahr war schwierig", erinnert sich Krämer. "Die Warft hochklettern bei Eisregen...". Aber es sei schwer, am Sonntagmorgen Gottesdienste noch abzusagen. "Ich muss auf jeder Warft anrufen."
Nach dem Gottesdienst versammeln sich die Wattwanderer im "Kiek in", einer kleinen Gastwirtschaft. Bei Pharisäer und Waffeln erzählt Wattführer Boy Boysen, wie er vor vier Jahren den Pastor ansprach und vorschlug, die Wanderungen mit der Adventsandacht zu verbinden. Jetzt kommen deutlich mehr Leute als sonst um diese Jahreszeit. Der 68-jährige Boysen bietet seit mehr als 25 Jahren Wanderungen an. "Ich bin schon als 13-, 14-Jähriger durchs Watt gewandert. Ich habe das Watt spielerisch kennengelernt, aber auch die Gefahr." Inzwischen bietet er das ganze Jahr über Führungen durch das nordfriesische Wattenmeer, zu den Halligen und nach Föhr.
Im Dunkeln tappen die Wattwanderer zum Schiff, das sie zum Festland bringt. Dunkel ist hier noch wirklich dunkel. Dafür leuchten die Sterne heller.
Quelle: ntv.de, Martina Scheffler, dpa