Reise

Rafting in den Bergen Montenegros Kick in Europas größtem Canyon

Die Tara hat sich tief in die Berge Montenegros geschnitten. Rafter paddeln über weite Strecken durch eine unberührte Berglandschaft.

Die Tara hat sich tief in die Berge Montenegros geschnitten. Rafter paddeln über weite Strecken durch eine unberührte Berglandschaft.

(Foto: picture alliance / dpa-tmn)

Türkisblau zieht sich die Tara mehr als 100 Kilometer weit durch die Berge Montenegros. Wer ihr nahe kommen will, steigt lieber in ein Raftingboot. Eine Tour durch den Canyon ist eine Fahrt durch unberührte Berglandschaft - und ein rasantes Abenteuer.

Kurz hinter Splaviste spannen sich die filigranen Bögen der Tara-Brücke über den Canyon.

Kurz hinter Splaviste spannen sich die filigranen Bögen der Tara-Brücke über den Canyon.

(Foto: picture alliance / dpa-tmn)

"Rechts, rechts, ja genau, und jetzt alle zusammen", brüllt Nenad-Neso in einem Mix aus Serbo-Kroatisch und Englisch gegen das Tosen des Wassers an. Der erfahrene Rafter treibt seine Mannschaft an. Vor dem Boot wirbeln Wasserstrudel, dazwischen ragen Felsen aus dem Fluss. Sechs Leute stoßen ihre Paddel in das aufgewühlte Wasser. Das wütende Rauschen und Gurgeln der Stromschnellen mischt sich mit ihrem Keuchen.

Wie ein Messer schneidet der Fluss Tara hier in die Berge Montenegros, nicht weit von der Küste Kroatiens entfernt. An der tiefsten Stelle hat sich der wilde Strom 1300 Meter in das Gebirge gegraben - und so die gewaltigste Schlucht Europas und nach dem Grand Canyon in den USA die tiefste der Welt geschaffen.

Immer wieder hebt der Fluss das Schlauchboot vorne in die Luft und lässt es mit voller Wucht auf die Oberfläche zurückschnellen. Wasser spritzt auf die Mannschaft, knöcheltief steht es bereits im Boot. Alle rammen die Paddel in die Tara und klemmen die Füße unter die Riemen am Bootboden, um nicht den Halt zu verlieren. Dann, so unvermittelt wie sie aufgetaucht sind, liegen die Stromschnellen hinter ihnen und die wilde Tara fließt wieder ruhig dahin.

Das ultimative Abenteuer

In der Tara-Schlucht im Nordwesten Montenegros kommen Rafting-Freunde auf ihre Kosten.

In der Tara-Schlucht im Nordwesten Montenegros kommen Rafting-Freunde auf ihre Kosten.

(Foto: picture-alliance / gms)

Ausgerüstet mit Neoprenanzügen, signalroten Helmen und Schwimmwesten ist das Team, eine Gruppe befreundeter Männer, in aller Frühe aus dem Bergdorf Kolašin aufgebrochen. Einige von ihnen sind aus Moskau, andere leben in Montenegro. Sie alle sind gekommen für das ultimative Abenteuer: Drei Tage Rafting auf der Tara, durch den gewaltigen Canyon von Montenegro bis nach Bosnien-Herzegowina.

Glasklar und türkisblau schlängelt sich der rund 140 Kilometer lange Fluss durch die Berge Montenegros, von der Quelle im Komovi-Gebirge an der Grenze zu Albanien bis nach Norden, wo er sich am Rande Bosniens mit dem Fluss Piva mischt. Nur wer sich in ihren bisweilen tückischen Strom wagt, kann der Tara wirklich nahe kommen. Denn ihre Ufer liegen fernab aller Straßen tief in der Schlucht. Nur an wenigen Stellen führen Wege hinab ans Wasser.

Die Tara fließt einmal quer durch Montenegro, von der Quelle im Komovi-Gebirge bis nach Norden, wo sie sich am Rand Bosniens mit dem Piva mischt.

Die Tara fließt einmal quer durch Montenegro, von der Quelle im Komovi-Gebirge bis nach Norden, wo sie sich am Rand Bosniens mit dem Piva mischt.

Hier befinden sich die Lager der Rafter. Geschäftiges Treiben herrscht am steinigen Ufer nahe des Orts Splaviste: Neoprenanzüge werden übergestreift, Proviant in Plastiksäcke verpackt, Boote und Floße zu Wasser gebracht. "Alle mal anpacken", ruft Miki und beginnt, das Schlauchboot vom Dach seines Geländewagens loszumachen. Seit 13 Jahren bringt der Montenegriner Abenteurer in die Schlucht.

An Grenze zu Bosnien wirds gefährlich

"Die ersten paar Kilometer haben viele Stromschnellen und Felsen - da heißt es paddeln", sagt Miki. Später werde der Canyon ruhiger und breiter, um dann auf den letzten 15 Kilometern vor der Grenze zu Bosnien noch einmal richtig gefährlich zu werden. "Im Sommer können auch Anfänger auf dem Fluss reiten", sagt Miki. "Aber im Frühling und Herbst ist Rafting auf der Tara nur etwas für Profis und Adrenalin-Junkies".

Besonders auf den ersten Kilometern muss das Boot durch viele Stromschnellen und Felsen gepaddelt werden. Richtig gefährlich wird die Fahrt auf den letzten 15 Kilometer vor der Grenze zu Bosnien.

Besonders auf den ersten Kilometern muss das Boot durch viele Stromschnellen und Felsen gepaddelt werden. Richtig gefährlich wird die Fahrt auf den letzten 15 Kilometer vor der Grenze zu Bosnien.

(Foto: picture alliance / dpa-tmn)

Schmelzwasser und Regenfälle sorgen dann für reißende Stromschnellen. Für Miki - "durch meine Adern fließt Tarawasser" - die perfekte Zeit, um Spaß zu haben und seine Leute zu trainieren. Nenad-Neso ist einer seiner Besten. Ohne ihn wären die sechs Möchtegern-Tara-Bezwinger in ihrem Schlauchboot verloren. Immer wieder dreht sich das Boot um sich selbst, wenn die Paddel trotz seiner Anweisungen nicht im Takt sind. Manchen Felsen kann die Crew gerade noch ausweichen.

Weißer Schnee und schwarzer Rauch

Ausgangspunkt der Rafting-Touren ist die Pension "Vila Jelka", die der 32-jährige Miki mit seinem Vater im Bergdorf Kolašin betreibt. Der verschlafene Ort mit seinen über die Berghänge verstreuten Häusern ist von Podgorica, der Hauptstadt Montenegros, in knapp zwei Stunden zu erreichen. Touristisch ist er dennoch kaum erschlossen. Die meisten Urlauber fahren an die Küste Montenegros, an die Adria.

Der "schwarze Berg", wie die Einheimischen Montenegro nennen, soll ein grüner Staat werden, so steht es in der Verfassung. Doch noch zieht oft der Rauch von verbranntem Plastik durch die Bergidylle.

Der "schwarze Berg", wie die Einheimischen Montenegro nennen, soll ein grüner Staat werden, so steht es in der Verfassung. Doch noch zieht oft der Rauch von verbranntem Plastik durch die Bergidylle.

(Foto: picture alliance / dpa-tmn)

Einheimische nennen Montenegro "Crna Gora", "schwarzer Berg". Dabei sind die höchsten Gipfel weiß getupft von Schneefeldern, weiter unten bedecken saftig grüne Wälder die Hänge. In der klaren Bergluft hängt der Geruch von Grillfleisch, und immer wieder zieht einem auch der beißende Rauch von brennendem Plastik in die Nase. Wilde Müllkippen sind in Montenegro überall zu finden.

Dabei hat sich der seit 2006 unabhängige Staat Umweltbewusstsein groß auf die Fahnen geschrieben. Der "erste ökologische Staat" will Montenegro sein. Der Schutz von Umwelt und Natur steht als Staatsziel in der Verfassung des Landes. "Unser Land auf Ökotourismus umzustellen, ist die Zukunft für Montenegro", sagt Miki. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Quelle: ntv.de, Patrizia Schlosser, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen