Blatter "weiß von nichts"Fifa-Funktionär ist Chef der Ticketmafia

Der Ticketskandal rund um den gesprengten Schwarzmarkt-Händlerring zieht immer weitere Kreise: Vor den ersten Viertelfinals wird bekannt, dass neben ehemaligen Fußballergrößen auch Mitarbeiter des Weltverbandes im Fadenkreuz der Ermittler stehen.
Der Drahtzieher des Ticketskandals bei der Fußball-WM in Brasilien soll ein Fifa-Mitglied sein. Der zuständige Polizeichef Fábio Barucke erklärte, man habe die Stimme des Kopfes, der für den Verkauf von Eintrittskarten an die Ticketmafia verantwortlich ist, auf Band aufgezeichnet. Dieser Mann gehöre der Delegation der Fifa an. Deren Präsident Joseph S. Blatter gab in Rio de Janeiro an, keine Kenntnis von den Vorgängen zu haben. "Ich weiß von nichts", sagte er der brasilianischen Tageszeitung Estadao: "Ich beschäftige mich nicht mit Eintrittskarten. Mein Geschäft ist die Politik."
Mit der Verhaftung des franco-algerischen Schwarzmarkthändlers Mohamadou Lamine Fofana war am vergangenen Dienstag einer der größten Schwarzmarkt-Händlerringe aufgeflogen. "Wir haben konkrete Anzeichen, dass mindestens eine Person Eintrittskarten an Fofana weitergegeben hat. Diese Information werden wir jetzt der Fifa zukommen lassen, die versprochen hat, uns bei der Identifizierung der Person zu helfen", sagte Barucke. Er fügte hinzu, dass es sich um ein Fifa-Mitglied handele, das sich nur für die WM in Brasilien aufhalte.
Die Fifa wies in einer Stellungnahme des für das Ticketing verantwortlichen Marketing-Direktors Thierry Weil darauf hin, dass Fofana keine WM-Akkreditierung besessen habe. Auch habe dieser keinen Zugriff auf den offiziellen Fahrdienst der WM gehabt. Die Fifa kündigte eine Analyse der betreffenden Tickets an und will in der Angelegenheit weiter eng mit den ermittelnden Behörden zusammenarbeiten. Die Polizei hat im Rahmen der "Operation Jules Rimet" erst die Hälfte der rund 50.000 abgehörten Telefonate ausgewertet. Allein in Brasilien habe die Bande 30 Mitglieder, weltweit noch mehr. Weitere Festnahmen sollen bevorstehen.
Neymars Vater auf der Polizeiliste
Der Kontakt zur Ticketmafia hat auch für eine Handvoll brasilianischer Fußball-Idole ein unangenehmes Nachspiel. Weil Namen wie Dunga, Jairzinho und Carlos Alberto Torres im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Fofana auftauchten, sollen die Ex-Weltmeister und andere Größen aus dem Geschäft als Zeugen verhört werden.
Fofana hatte am 17. Juni in Rio de Janeiro eine Privatparty organisiert, zu der auch die Ex-Nationalspieler eingeladen waren. Der frühere Bremer Bundesliga-Profi Júnior Baiano muss nach der Vermietung eines Apartments im Rio-Stadtteil Barra an den 57-Jährigen den Untersuchungsbehörden ebenfalls eine Erklärung abgeben.
Der Vater von Superstar Neymar und Roberto Assis, Bruder von Ex-Weltfußballer Ronaldinho, stehen nach dem Abhören von Telefonaten auch auf der Polizeiliste der Personen, die zur Aufklärung des Falls beitragen sollen.
Fofana war nach wochenlanger Beobachtung am 1. Juni mit zehn weiteren Verdächtigen verhaftet worden. Die unter der Hand für Preise weit über den Marktwert verkauften Eintrittskarten stammten aus Frei-Kontingenten des Weltverbandes und der WM-Teams.