Wirtschaft

Türken wittern Putsch-Propaganda Aprilscherz-Spot geht in die Hose

(Foto: Youtube)

Mit einem Werbe-Video handelt sich der türkische Keks-Hersteller Ülker mächtig Ärger ein. Einige Türken sehen darin Anklänge an den gescheiterten Militärputsch. Der Aktienkurs rauscht nach unten.

Eine Werbung des türkischen Keks-Herstellers Ülker Bisküvi zum 1. April ist nach hinten losgegangen. Die Aktien des Unternehmens Ülker und der Mutter Yildiz gerieten an der Börse unter Druck, nachdem Premierminister Binali Yildirim den Spot als "unglücklich" bezeichnet hatte. Der Aktienkurs von Ülker fiel um bis zu fünf Prozent, bevor er sich wieder etwas erholte. Yildiz büßten bis zu 7,5 Prozent an Wert ein.

Zuvor hatten sich Demonstranten vor dem Haus von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Istanbul versammelt, um den Staatschef zu unterstützen. Darunter war auch ein Abgeordneter von Erdogans Partei AKP, Metin Külünk. Er sah in dem Spot einen Versuch, "die Psychologie von 80 Millionen Menschen zu manipulieren". "Diese Nation wird den nächtlichen Putsch nicht vergessen", sagte der Politiker und lobte das Gespür der Menschen, die vor das Haus gekommen waren.

Was war passiert? Am vergangenen Donnerstag hatte Ülker anlässlich des 1. April einen 50 Sekunden langen, animierten Werbespot online veröffentlicht. Darin geht es um Geschwister und um die Nachteile, kleiner zu sein. Zu sehen ist, wie sich Geschwister einander mit Aprilscherzen hereinlegen. Am Ende heißt es, dass "die Zeit der Abrechnung naht".

Dieser harmlose Satz war angesichts der gegenwärtigen Stimmung in der Türkei offenbar keine gute Idee. Denn Ülker löste damit eine ungeahnte Reaktion aus: In sozialen Netzwerken wurde unterstellt, das Video sei der Vorbote eines neuen Militärputsches.

Das Unternehmen sprach von einer "Verschwörungskampagne" und kündigte rechtliche Schritte an. Die Szenen und Aussagen des Spots seien aus dem Kontext gerissen und entstellt worden, indem zusätzliche Bilder und Textpassagen hinzugefügt worden seien, erklärte der Lebensmittelkonzern.

Eigentümer Murat Ülker wurde schon zuvor mit dem Putsch-Versuch des vergangenen Jahres in Verbindung gebracht - und wehrt sich gegen entsprechende Gerüchte. "Wir sind auf der Seite der Nation", twitterte er. Ülker ist der größte Lebensmittelhersteller in der Türkei und gilt als eines der im Ausland erfolgreichsten Unternehmen des Landes. Murat Ülker ist dem Magazin "Forbes" zufolge mit einem geschätzten Vermögen von umgerechnet 3,4 Milliarden Euro der reichste Mann der Türkei. Wie die meisten Chefs der großen Familienkonzerne, die die türkische Wirtschaft dominieren, äußert sich Ülker gewöhnlich nicht zur Politik.

Gereizte Atmosphäre

"In diesem Spot geht es um freundliche Konkurrenz zwischen Familienmitgliedern, vor allem von Brüdern und Schwestern", so das Unternehmen. Die Werbung werde böswillig falsch interpretiert. Das hielt Ülker nicht davon ab, sich bei den Menschen zu entschuldigen, die sich durch die Reklame "beleidigt fühlen". Zugleich kündigte es eine interne Untersuchung an. Die für den Spot verantwortlichen Mitarbeiter seien suspendiert worden.

"Ich habe den Spot nicht gesehen, aber davon gehört", sagte Premierminister Yildirim. Er beinhalte Ausdrücke, die Menschen an den Putsch erinnerten. Das "unselige" Video habe zu "Unbehagen" in der Bevölkerung geführt. "Die Leute müssen mit mehr Verantwortungsbewusstsein handeln und die Gefühle der Menschen respektieren", sagte Yildirim.

Die Episode zeigt, welche Atmosphäre derzeit in der Türkei herrscht. Nach dem gescheiterten Putschversuch im Sommer vergangenen Jahres gilt dort weiterhin der Ausnahmezustand. 113.000 Menschen waren Regierungsangaben zufolge festgenommen worden, mehr als 47.000 sitzen demnach noch in Untersuchungshaft - darunter 2575 Richter und Staatsanwälte sowie 168 Generäle. Präsident Erdogan will bei einer für den 16. April angesetzten Abstimmung eine Verfassungsänderung durchsetzen, die ihm mehr Macht geben würde.

Quelle: ntv.de, mit AFP

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