Höhepunkt der Prüfungsangst Banken gestresst wie nie
22.07.2010, 20:19 Uhr
Dunkler Tag für die Bankenbranche oder verziehen sich die Wolken?
(Foto: dpa)
Tag der Wahrheit: Nach wochenlangen Bangen erfahren Europas Banken, wie sie beim Stresstest abgeschnitten haben. Doch statt für Ruhe auf den Märkten zu sorgen, herrscht bislang mehr Verwirrung als vorher. Noch nicht mal über den Zeitpunkt der Veröffentlichung war man sich einig.
Stress bis zur letzten Minute: Die für Freitag geplante Veröffentlichung der Daten zur Krisentauglichkeit der europäischen Banken sorgt für jede Menge Unruhe. Erst machten Gerüchte über einen früheren Zeitpunkt der Veröffentlichung die Runde, dann wurde aus einzelnen Häusern die Klage laut, dass die Zusammenarbeit zwischen der europäischen Aufsichtsbehörde CEBS, den nationalen Aufsichtsbehörden und den geprüften Banken nicht rund laufe. Lange blieb auch noch unklar, wie die nationalen Aufsichtsbehörden die Öffentlichkeit informieren wollte.
Die EU-Kommission bestätigte schließlich den Zeitplan für die Bekanntgabe der Resultate des europaweiten Bankentests bei dem 91 Institute unter die Lupe genommen wurden. Die Ergebnisse würden wie geplant am Freitag nach europäischen Börsenschluss um 18 Uhr von der CEBS und den Instituten veröffentlicht, hieß es. Dann hätten die Investoren in Europa bis Montagmorgen Zeit, die Fakten einzuordnen und zu interpretieren.
Bis zuletzt rangen Aufseher und Vorstände auch darum, wie stark sich die Institute in die Karten schauen lassen müssen. Feststeht, dass die Banken viel mehr Zahlen zu Kapital und Risiken veröffentlichen werden als ursprünglich gedacht.
HRE fällt durch
In Frankfurt werden die Bundesbank und die Bankenaufsicht BaFin die deutschen Ergebnisse gemeinsam vorstellen. Finanzkreisen zufolge dürfte der Münchener Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate der einzige Sitzenbleiber unter den 14 getesteten Banken sein. Da das verstaatlichte Institut aber ohnehin bald alle toxischen Papiere in eine Bad Bank auslagert, ist das Ergebnis in diesem Fall bedeutungslos. Spannender ist daher die Frage, wie einzelne Wackelkandidaten etwa aus dem Landesbankenlager abschneiden.
Geprüft wurden die Auswirkungen eines Konjunktureinbruchs und eines Kursverfalls bei Staatsanleihen auf die Bankbilanzen. Als bestanden gilt der Test, wenn die Kernkapitalquote als zentrale Kennziffer in diesen Szenarien nicht unter sechs Prozent rutscht. Die Ergebnisse sollen zeigen, welchen Kapitalpuffer die Institute für solche Extrembedingungen haben. Mit der Offenlegung soll das von der Finanzkrise erschütterte Vertrauen der Investoren in die europäischen Banken gestärkt werden - nach dem Vorbild der USA, wo dies im vergangenen Jahr mit einem solchen Test geglückt ist.
Chaos in Europa
Doch anders als in Übersee verlief der Stresstest in Europa chaotisch. Die nationalen Bankenaufseher und Regierungen stritten nicht nur über den Veröffentlichungstermin, sie wollten auch bis zuletzt Änderungen an den Prüfungsaufgaben durchsetzen. Über letzte Details wollten sich die Finanzministerien der beteiligten Länder im Lauf des Donnerstags verständigen. Das Durcheinander bei den Stresstests hat nach Ansicht von Kritikern vor allem eines deutlich gemacht: Eine starke europäische Bankenaufsicht muss her. Statt Einigkeit zu präsentieren, hätten die nationalen Behörden der 27 EU-Staaten noch mehr Verwirrung an den Finanzmärkten gestiftet – keine gute Voraussetzung, um das Vertrauen in die Europas Banken wieder herzustellen.
Unter Bankern sorgte das Chaos nur noch für Kopfschütteln. "In der Bankenbranche wird die Vorgehensweise sehr kritisch gesehen", sagte ein hochrangiger Banker. "Das ist eine mittlere intellektuelle Katastrophe." Noch bevor die Ergebnisse auf dem Tisch liegen, wird ihre Aussagekraft bereits in Zweifel gezogen. So müssen Kreisen zufolge die Banken die in dem Test simulierten Abschläge am Staatsanleihenmarkt nur auf Papiere im Handelsbuch vornehmen - hier sind die zum Verkauf bestimmten Wertpapiere bilanziert. Die Mehrzahl der Staatsanleihen liegt allerdings im Bankbuch - wo die Papiere bis zur Fälligkeit gehalten werden - und bleiben bei dem getesteten Staatsanleihencrash außen vor. Damit halten sich aber auch die Folgen für die Banken in Grenzen; zumal im Handelsbuch die Papiere ohnehin bereits mit kräftigen Abschlägen verbucht sind.
IWF glaubt an die Banken
Kritiker bemängeln zudem seit Wochen die unterstellten Szenarien als zu lax und rückwärtsgewandt. Der Internationalen Währungsfonds nimmt den europäischen Bankenstresstest jedoch Schutz. Sie glaube nicht, dass die EU-Tests weniger glaubwürdig als jene in den USA seien, sagte die für Außenbeziehungen zuständige Caroline Atkinson. Die EU-Behörden hätten versichert, dass die den Tests zugrunde liegenden Annahmen plausibel, aber hart sein würden.
Dennoch dürfte die Diskussion um die Bewertung der Prüfungsergebnisse auch nach der Veröffentlichung nicht abebben. Kurzfristig macht sich am Markt indes Erleichterung breit, dass die Tests wohl keine negativen Überraschungen bereit halten. "Es gab Gerüchte, dass die Tests deutlich besser ausfallen als gedacht, daraufhin haben einige gekauft", sagte ein Händler. Aktien der Deutschen Bank stiegen am Donnerstag um 1,6 Prozent, der Commerzbank um 1,8 Prozent.
Was passiert am Montag?
Aber was passiert, wenn die Tests doch nicht so gut ausfallen? Wie wird die Börse beispielsweise mit den Banken umgehen, die gerade mal so durchgerutscht sind? Werden deren Aktien am Montag reihenweise einbrechen? In den USA mussten nach dem Stresstest zehn der 19 getesteten Institute mit milliardenschweren Kapitalspritzen stabilisiert werden – könnte das unter den haushohen Defiziten einiger Mitgliedsstaaten ächzende Europa das überhaupt stemmen? Diese Sorgen sind unbegründet, glaubt man beim IWF. "Die großen europäischen Banken sind solide genug, um jedes Erdbeben zu überleben", meint IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn. Dann muss wohl nur noch der Markt dem Stress standhalten.
Quelle: ntv.de, sla/rts/dpa