Wirtschaft

Schwerverletzter bei Krawallen in Athen Europa streitet über Griechenland

Athen am 11. Mai 2011: Am Platz vor dem Parlament sind die sozialen Spannungen auch für Touristen nicht zu übersehen.

Athen am 11. Mai 2011: Am Platz vor dem Parlament sind die sozialen Spannungen auch für Touristen nicht zu übersehen.

(Foto: AP)

In Griechenland kocht der Volkszorn hoch: Hunderttausende beteiligen sich an einem 24-stündigen Generalstreik. In Athen gehen rund 30.000 Menschen auf die Straße, um gegen die Sparpolitik der Regierung zu demonstrieren. Die zunächst friedlichen Proteste eskalieren. Die Partner in Europa sind alarmiert. Wie teuer werden die Hilfen für die Steuerzahler?

Deutlich weniger als im Vorjahr: Die Masse blieb zuhause.

Deutlich weniger als im Vorjahr: Die Masse blieb zuhause.

(Foto: dpa)

Bei Ausschreitungen im Zentrum Athens ist ein junger Mann nach Angaben von Ärzten durch einen Schlag auf den Kopf lebensgefährlich verletzt worden. Der Mann wurde am Nachmittag operiert, teilte ein Krankenhaus in der Athener Vorstadt Nikaia mit. Nach einer friedlich verlaufenen Demonstration war es am Nachmittag zu Ausschreitungen in Athen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Mindestens 14 Menschen wurden dabei verletzt.

Im Streit um weitere EU-Hilfen für Griechenland verschärft sich unterdessen der Tonfall innerhalb der Eurozone: Vor allem zwischen Deutschland und Finnland spitzte sich die Debatte weiter zu, ob und unter welchen Voraussetzungen das überschuldete Griechenland zusätzliche Hilfe bekommen könnte - im Gegenzug gegen möglicherweise noch striktere Reformauflagen.

Die Troika schaut nach

Die Europäische Union (EU) und der Internationale Währungsfonds (IWF) hatten Griechenland im vorigen Jahr mit einem milliardenschweren Hilfspaket vor der Pleite bewahrt. Jetzt hängt das Land am Finanztropf der Hilfsprogramme. Derzeit überprüfen Vertreter von EU, Europäischer Zentralbank und IWF - die sogenannte Troika - in Athen, ob Griechenland seine Schuldenlast noch meistern kann und die versprochenen Reformen umsetzt. Mitte der Woche trafen sie dazu mit dem griechischen Finanzminister George Papaconstantinou zusammen. Geplant sind aber auch Gespräche mit der Opposition.

Die Fachleute entscheiden auch darüber, ob dem Land die nächste Tranche der Hilfe ausgezahlt werden kann. Sollte Griechenland die 12 Mrd. Euro nicht erhalten, liefe das auf seine Zahlungsunfähigkeit bereits Ende Juni hinaus. Insgesamt umfasst das Hilfspaket aus dem Vorjahr 110 Mrd. Euro. Im Gegenzug für die Hilfen hat sich die griechische Regierung zu eisernen Sparbemühungen verpflichtet. Die Troika-Prüfung läuft noch bis Ende dieser Woche.

Blutige Folgen der Proteste: Beide Seiten gehen zum Teil mit großer Brutalität vor.

Blutige Folgen der Proteste: Beide Seiten gehen zum Teil mit großer Brutalität vor.

(Foto: REUTERS)

Parallel dazu entfaltet sich aber bereits eine Debatte, ob Griechenland ein zweites Hilfspaket erhalten sollte. Unter den gegenwärtig herrschenden Bedingungen gilt die Rückkehr des Landes an die Finanzmärkte als unrealistisch. Die Risikozuschläge auf kurzlaufende Staatsanleihen aus Griechenland waren zuletzt weiter gestiegen. Medienberichten zufolge könnte Athen im Rahmen eines zweiten Pakets Hilfen im Umfang von bis zu 60 Mrd. Euro erhalten, um einen drohenden Bankrott abzuwenden. Dann wären wohl noch härtere Auflagen nötig.

Wer zahlt wie viel Zinsen?

Griechenland wird ebenso wie Portugal auf der Themenliste für das Treffen der Euro- und EU-Finanzminister Anfang kommender Woche stehen. Anders als bei Portugal werden für Griechenland aber noch keine Beschlüsse gefasst. Denn auch die Finanzminister wollen erst die Empfehlungen der Troika abwarten. Diese werden erst Ende des Monats erwartet.

EU-Währungskommissar Olli Rehn hatte am Vortag bestätigt, dass Entscheidungen für neue Hilfen vorbereitet werden. Die Höhe der voraussichtlich dieser bis 2013 gewährten Kredite ist noch unklar. Derzeit sei eine Finanzierungslücke von 25 bis 30 Mrd. allein für 2012 absehbar, schrieb das "Handelsblatt". Die Schuldenkrise kam wohl auch bei einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Berlin zur Sprache. Merkel hatte zuvor betont, über mögliche Hilfen für Griechenland werde erst nach einer aktuellen Troika-Bewertung der Sparbemühungen entschieden. Zum Thema Griechenland wollten sich Merkel und Barroso zunächst nicht öffentlich äußern.

Friedliche Proteste: Ist striktes Sparen der einzige Weg?

Friedliche Proteste: Ist striktes Sparen der einzige Weg?

(Foto: dpa)

Am kommenden Montag wollen die Finanzminister der Eurozone über zusätzliche Maßnahmen beraten. IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn soll an dem Treffen teilnehmen, auf dem auch das 78-Milliarden-Euro-Hilfspaket für Portugal abgesegnet werden soll. Dafür ist Einstimmigkeit erforderlich, als möglicher Wackelkandidat gilt Finnland. Die finnische Entscheidung wird an diesem Freitag erwartet. Laut EU-Kommissar Rehn soll Portugal für den EU-Teil seiner Hilfskredite - dies sind zwei Drittel der 78 Mrd. Euro - zwischen 5,5 und 6 Prozent Zinsen zahlen. Irland zahlt knapp 6 Prozent.

Paris zweifelt an der zweiten Hilfe

Auch für Frankreich sind Regierungsangaben zufolge neue Hilfszusagen für Griechenland keine beschlossene Sache. "Bislang ist keinerlei Entscheidung gefallen. Die Regierung muss zuerst ihre eigenen Ressourcen mobilisieren", sagte Finanzministerin Christine Lagarde in einem Interview der Tageszeitung "Le Figaro". Vor allem müsse das Privatisierungsprogramm schnell umgesetzt werden. Die Möglichkeit einer Umschuldung der griechischen Verbindlichkeiten schloss Lagarde weiter aus.

Vor den abschließenden Verhandlungen der Finanzminister in Brüssel wollte in Berlin der Haushaltsausschuss des Bundestages über das Portugal-Paket beraten. Noch an diesem Donnerstag debattiert dann der Bundestag insgesamt über die Milliardenhilfen. Der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Kotthaus, sagte, bei einem Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss und nach der Stellungnahme des Bundestages wäre die Bundesregierung gerüstet für das Finanzministertreffen der Euro-Gruppe und EU nächste Woche.

Festgenommen: Die Polizei greift hart durch.

Festgenommen: Die Polizei greift hart durch.

(Foto: AP)

Die Regierung in Athen muss unterdessen weiter um Vertrauen in der dramatischen Schuldenkrise kämpfen. Hunderttausende Landsleute von Ministerpräsident Giorgos Papandreou traten in den Streik, um gegen die drastischen Sparpläne zu protestieren. Viele Behörden und öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Ministerien waren betroffen. Im Flug-, Fährverkehr kam es zu Ausfällen und Verspätungen. An den Schulen fiel der Unterricht aus, und auch Busse und Bahnen fuhren nicht regelmäßig.

Deutlich weniger Demonstranten

Mit dem 24-stündigen Ausstand wandten sich griechische Gewerkschaften erneut gegen das Sparprogramm ihrer Regierung. Weil auch Journalisten streikten, gibt es im Radio und Fernsehen bis zu diesem Donnerstagmorgen keine Nachrichten. Es war der zehnte große Streik seit Einführung des Spar-und Reformprogramms vor etwa einem Jahr. Die Beteiligung an Kundgebungen in Athen blieb mit etwa 30.000 Menschen aber weit hinter der Zahl, welche die Gewerkschaften erhofft hatten. Vor rund einem Jahr hatten mehr als 300.000 Menschen gegen die Sparauflagen demonstriert.

Nach einer friedlichen Demonstration gerieten in der Hauptstadt Polizisten und Demonstranten aneinander. Vermummte warfen Knallkörper auf Beamte und zerstörten Bushaltestellen. Gegen mehrere Dutzend linksgerichtete Demonstranten setzte die Polizei in Athen Tränengas ein.

Platzwunde am Kopf: Ob durch Stein oder Knüppel lässt sich aus der Ferne nicht beurteilen.

Platzwunde am Kopf: Ob durch Stein oder Knüppel lässt sich aus der Ferne nicht beurteilen.

(Foto: REUTERS)

Die Gewerkschaften werfen der sozialistischen Regierung des hoch verschuldeten Landes vor, mit ihrem Kurs die Wirtschaft kaputt zu sparen. Die Wirtschaftsleistung des Euro-Landes ging im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent zurück und wird 2011 wohl um weitere 3 Prozent schrumpfen. Die Arbeitslosigkeit erreichte im Januar die Rekordmarke von 15,1 Prozent. "Wir erwarten massive Proteste", sagte Kostas Panagopoulos vom Meinungsforschungsinstitut Alco mit Blick auf die kommenden Monate. Die Menschen gingen davon aus, dass das Konsolidierungsziel nicht erreicht werden könne und der Weg nicht effektiv sei. "Das ist eine brisante Mischung."

CDU-Politiker ermahnen Athen

In Deutschland wurden unterdessen Bedingungen für weitere Kreditgarantien gestellt. "Weitere Hilfe für Griechenland muss an die Bedingung geknüpft werden, dass Griechenland sich selbst hilft", sagte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs. Zuvor hatten auch sein Fraktionskollege Michael Meister und der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach auf klare Zusagen gedrängt. Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler betonte, eine Umschuldung Griechenlands wäre die bessere und verfassungsgemäße Lösung der Überschuldung des Landes gewesen. Er lehnt alle Kreditgarantien ab und hat dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt.

In Finnland schloss die euroskeptische Partei Wahre Finnen eine Zustimmung zu niedrigeren Zinssätzen für Griechenland und Irland nicht aus. Der Vorsitzende Timo Soini bekräftigte aber das strikte Nein zum Rettungspaket für das hoch verschuldete Portugal.

Vor diesem Hintergrund stand die europäische Gemeinschaftswährung an den Devisenmärkten weiter im Bann der Krise. Aus Sorge um die Zahlungsfähigkeit Griechenlands wagten Euro-Anleger keine großen Sprünge. Der Kurs des Euro gab bis zum Abend deutlich nach und lag zuletzt 1,2 Prozent unter dem Schlusskurs vom Vortag bei 1,4235 Dollar.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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