Ultimatum abgelaufen, Zukunft ungewissHängepartie bei Prokon

Für Prokon-Anleger sind es nervenaufreibende Stunden. Sie wissen immer noch nicht, was mit ihrem Geld passiert. Alle waren aufgerufen, ihre Treue zu schwören. Aber nur etwas mehr als die Hälfte beteiligte sich. Ist Prokon jetzt pleite oder nicht? Alle warten auf Ansagen.
Bislang steht nur eins fest: Prokon hat die selbst auferlegte Messlatte gerissen. Nach einem auf der Internet-Seite des Unternehmens veröffentlichten Zwischenergebnis reagierten (Stand: heute 9 Uhr) gut 60 Prozent der Anleger auf den Aufruf des Unternehmens, sich zum Halten ihrer Genussrechts-Anteile zu verpflichten. Von gut 75.300 Inhabern meldeten sich 46.000. Davon stimmten allerdings nur 39.300 einer verlängerten Kündigungsfrist zu; sie vertreten 728 Millionen Euro des Kapitals. Weitere 6600 Anleger mit 101 Millionen Euro Kapital kündigten ihre Genussrechte. Damit hat Prokon das selbst gesteckte Ziel verfehlt. Dennoch bleibt das weitere Schicksal des Windanlagen-Finanzierers unklar.
Die Lage spitzt sich derweil weiter zu. Wie am Morgen bekannt wurde, prüft die Staatsanwaltschaft Lübeck inzwischen Anzeigen gegen Prokon. Nach Angaben von Oberstaatsanwältin Wenke Haker-Alm geht es um den Anfangsverdacht des Betruges und der Insolvenzverschleppung. Es sei aber noch unklar, ob die Verdachtsmomente für ein Ermittlungsverfahren ausreichten.
Vor zehn Tagen hatte das Unternehmen überraschend vor einer drohenden Insolvenz Ende Januar gewarnt und erklärt, dass bis zum Montag 95 Prozent des Anlagekapitals eine Erklärung abgeben sollten, nach der sie ihre Genussrechte zunächst behalten und nicht kündigen würden. Andernfalls würde das Unternehmen Insolvenz anmelden.
Rechtsgutachten zur Insolvenzfrage
Ob es wirklich zu einem Insolvenzverfahren kommt, ist allerdings offen. In der vergangenen Woche hatte Prokon-Chef Carsten Rodbertus unter Berufung auf einen Insolvenzrechtler erklärt, dass eventuell die Voraussetzungen für eine Insolvenz doch nicht gegeben seien.
Das Unternehmen, das in Erneuerbare Energien investiert, ist fast vollständig durch Genusskapital finanziert. Nachdem es in eine Liquiditätsklemme geraten ist, kann es gegenwärtig weder die Zinsen auf die Genussrechte noch gekündigte Papiere auszahlen. Das seien aber eventuell keine offenen Forderungen gegen das Unternehmen im Sinne des Insolvenzrechts, hieß es zuletzt.
Geklärt werden soll diese Frage nun durch Rechtsgutachten. Das Unternehmen aus dem schleswig-holsteinischen Itzehoe ist telefonisch für Medien nicht erreichbar und beantwortet auch keine schriftlichen Anfragen.
Berlin will Anlegerschutz verbessern
Die Bundesregierung will aus den Vorgängen um Prokon Konsequenzen ziehen. "Die aktuelle Debatte um Prokon zeigt, dass der Verbraucherschutz im Bereich des Finanzmarkts gestärkt werden muss", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustiz- und Verbraucherschutzministerium, Ulrich Kelber, dem "Handelsblatt".
"Die Finanzaufsicht Bafin sollte möglichst schnell in die Lage versetzt werden, Finanzprodukte zu verbieten oder den aktiven Vertrieb zu untersagen, sofern diese die Finanzmarktstabilität gefährden oder unverhältnismäßige Risiken für Anleger bergen", sagte der SPD-Politiker. Es spreche viel dafür, dass kein Finanzprodukt und kein Finanzvertrieb von der Regulierung ausgenommen werden.
Verbraucherschützer warnen
Bei Verbraucherschützern steht das Geschäftsmodell seit langem in der Kritik. Anlegerschützer Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) mutmaßt, dass es sich um eine Schneeballsystem handelt, bei dem Zinsen und Tilgungen mit dem Geld neuer Anleger finanziert werden. In einem Fernsehmagazin wies Rodbertus diesen Vorwurf zurück, blieb weitere Erklärungen aber schuldig. Er verweigert den Kontakt zu den Medien seit Mai 2013.
Das Unternehmen im schleswig-holsteinischen Itzehoe mit insgesamt 1300 Mitarbeitern ist ein wichtiger Finanzier von Windparks, investiert aber auch in Bioenergie. Es hatte mit einer festen Verzinsung von sechs Prozent geworben und vielfach bis zu acht Prozent Zinsen ausgezahlt. Das Unternehmen kann nach eigenen Angaben derzeit keinerlei Rück- oder Zinszahlungen leisten.