EU half zu spätIWF legt den Finger drauf

IWF-Chef Strauss-Kahn bescheinigt der Europäischen Union, bei der Schuldenkrise Griechenlands zu spät gehandelt zu haben. "Wenn das Problem im Februar gelöst worden wäre, wären die Kosten geringer gewesen." In Brüssel wird heute erneut über die Rettung des Euro beraten - der mittlerweile auf ein Vierjahrestief gefallen ist.
Im fernöstlichen Devisenhandel fiel die europäische Gemeinschaftswährung auf ein Vierjahrestief zum Dollar. Auf der Handelsplattform EBS rutschte die Gemeinschaftsdevise auf 1,2306 Dollar, dem tiefsten Stand seit April 2006, gegenüber 1,2368 im späten New Yorker Handel am vergangenen Freitag. Händler machten vor allem die Sorge um die wirtschaftliche Erholung in der Euro-Zone angesichts der Milliarden-Belastungen durch den beschlossenen Rettungsschirm für die angeschlagenen Eu-Länder für die neuerlichen Kursverluste verantwortlich.
Die Maßnahmen der Eurozone zur Stützung Griechenlands hätten zu viel Zeit in Anspruch genommen, sagte der Präsident des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, in einem Interview der griechischen Zeitung "Ethnos". Dies sei aber damit zu begründen, dass es "das erste Mal seit langer Zeit" gewesen sei, "dass eine solche Situation in einem europäischen Land" eingetreten sei, fügte der IWF-Chef hinzu. Zunächst hätten die Europäer geglaubt, dass sie die Probleme allein lösen könnten. Nachdem sie sich aber bewusst geworden wären, "dass sie die Erfahrung und die Ressourcen des IWF brauchten", sei das Problem innerhalb von zwei Wochen gelöst worden.
Proteste berechtigt
Strauss-Kahn äußerte Verständnis für die anhaltenden Proteste der griechischen Bevölkerung gegen die Sparmaßnahmen zum Abbau des Schuldenbergs. "Es gab zu viele Fehler in der Vergangenheit und jetzt verärgern die Kosten, um diese Fehler zu korrigieren, den durchschnittlichen Griechen", sagte der IWF-Direktor. "Wenn ich Mitglied einer griechischen Gewerkschaft wäre, würde ich wahrscheinlich genau so demonstrieren, ich verstehe das." Die Griechen müssen laut Strauss-Kahn aber ihrerseits verstehen, dass der strikte Sparplan der Regierung in Athen "das einzige Mittel" sei, um die Schuldenkrise zu bewältigen. Die Bevölkerung müsse sich an den Sparanstrengungen beteiligen, wenn sie nicht wolle, "dass die Probleme Griechenland jahrzehntelang verfolgen".
Die griechischen Gewerkschaften riefen wegen der Sparpläne bereits zu drei Generalstreiks auf. Am Donnerstag soll ein weiterer stattfinden. Anfang Mai waren am Rande der Proteste drei Menschen ums Leben gekommen.
Neue Krisensitzung in Brüssel
Eine Woche nachdem das gewaltige Hilfspaket für den Euro geschnürt wurde, werden die Finanzminister des Eurogebiets heute erneut über die Rettung der Gemeinschaftswährung beraten. Die Minister wollen einen Weg finden, um den anhaltenden Absturz des Euro zu stoppen und das Vertrauen der Finanzmärkte in die Währung wiederherzustellen. Im Mittelpunkt des Treffens in Brüssel stehen die Details des Rettungspakets sowie die Haushaltslage in kriselnden Mitgliedsländern wie Griechenland, Spanien und Portugal. Die Minister wollen den Druck auf die Länder erhöhen, ihre gigantischen Schuldenberge abzubauen. Am Wochenende hatte der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, dem "Spiegel" gesagt, man befinde sich immer noch "in der schwierigsten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg, vielleicht sogar seit dem Ersten".
Die Finanzchefs der 16 Euro-Länder besprechen die Details des mit insgesamt 750 Mrd. Euro ausgestatteten Rettungsschirms, der klamme Mitgliedsstaaten vor dem Staatsbankrott bewahren soll. Das Hilfspaket hatte nicht ausgereicht, um die Finanzmärkte zu beruhigen, weil es immer noch Zweifel am Erfolg der Sparmaßnahmen sowie neue Sorgen um den Zustand der spanischen Wirtschaft gibt.
Die Minister werden die jüngsten Sparprogramme von Spanien und Portugal gutheißen, berichteten Diplomaten. Zudem kontrollieren sie die Sanierungsmaßnahmen in Griechenland, dem größten Schuldensünder, und sprechen über die Pläne für eine Verschärfung des Euro- Stabilitätspaktes, der Haushaltssünder besser disziplinieren soll.
Brief an Obama
Europäische Regierungen haben derweil nach Worten des griechischen Regierungschefs Giorgos Papandreou in einem Brief an US-Präsident Barack Obama ein Verbot der hochspekulativen Kreditausfallversicherungen für Staatsanleihen angeregt. Papandreou sagte dem "Handelsblatt" vom Montag, die Initiative sei außer von ihm von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker unterzeichnet worden. "Darüber wollen die G-20-Staaten diskutieren", sagte Papandreou. Ziel der Initiative sei vor allem eine höhere Transparenz auf den Finanzmärkten, aber auch eine stärkere Regulierung. "Es gibt Finanzprodukte, die so funktionieren, als kaufe man eine Versicherung, die dann ausbezahlt wird, wenn das Haus des Nachbarn abbrennt", sagte Papandreou.
Merkel hatte sich wiederholt öffentlich kritisch zu den Kreditausfallversicherungen geäußert und bereits mit Sarkozy einen Vorstoß bei der EU-Kommission zu deren Verbot unternommen.