Wirtschaft

Europa im Griff der Ratingagenturen Ökonom fordert "Entmachtung"

Der "historische richtige Moment": Thomas Straubhaar (Archivbild).

Der "historische richtige Moment": Thomas Straubhaar (Archivbild).

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Rolle der Ratingagenturen wird Volkswirten und Politikern zunehmend unheimlich: In der europäischen Schuldenkrise gelten die bislang kaum kontrollierten Beobachter längst als Teil des Problems. HWWI-Chef Thomas Straubhaar hält Ratings gar für einen "Fehler aus 1990er Jahren". Sie könnten Probleme nicht lösen, sondern verursachten neue.

Zweifel auch an der Wall Street: Mit ihren Noten kontrollieren die drei Unternehmen Fitch, Moody's und Standard & Poor's de facto den Zugang zum Kapitalmarkt - für Unternehmen und Staaten.

Zweifel auch an der Wall Street: Mit ihren Noten kontrollieren die drei Unternehmen Fitch, Moody's und Standard & Poor's de facto den Zugang zum Kapitalmarkt - für Unternehmen und Staaten.

(Foto: REUTERS)

Der Wirtschaftsforscher Thomas Straubhaar hat eine "brutale Entmachtung" von Ratingagenturen gefordert. Der Direktor des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) sagte in einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung", jetzt sei der "historische richtige Moment", sich aus der Allmacht dieser privaten Einrichtungen zu lösen. Die mit quasi hoheitsrechtlichen Kompetenzen ausgestatteten Ratingagenturen seien "ein Fehler aus den 1990er Jahren". Regulierungsbehörden in den USA hätten diese Form der Bewertung von Zahlungsfähigkeit bei Staaten und Unternehmen den Europäern "aufgedrängt und übergestülpt".

Straubhaar appellierte an die Bundesregierung, schnellstmöglich die Dominanz der US-Ratingagenturen zu beenden und dazu in der EU-Kommission einen neuen Vorstoß zu starten. "Hier werden einzelne private Akteure in den Rang von Göttern in Nadelstreifen erhoben. Das ist verhängnisvoll", warnte Straubhaar. Nach US-Grundsätzen tickende Ratingagenturen seien für Europa völlig ungeeignet. Sie könnten Probleme nicht lösen, sondern verursachten neue.

Standard & Poor's hatte zuletzt griechische Anleihen um drei Bonitätsstufen auf den Ramschstatus "CCC" gesenkt und damit weitere Pleite-Gerüchte provoziert. Fonds und andere Großanleger sahen sich gezwungen, die Papiere gemäß ihrer teilweise verpflichtend vorgeschriebenen aus ihren Depots zu entfernen. "Diese Privatunternehmen treiben die Politik vor sich her und erzeugen dadurch nicht mehr, sondern weniger Stabilität", erklärte Straubhaar. "Das muss ein Ende haben."

Straubhaar unterstützt Schäuble-Plan

Der Wirtschaftswissenschaftler forderte stattdessen einen Wettbewerb vieler gleichgestellter Agenturen. Dies werde dazu führen, dass Urteile einzelner Ratingagenturen nur noch zu einer Meinungsäußerung von mehreren würden. Auf die könne dann hören, wer wolle.

Straubhaar unterstützte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der an der Griechenland-Hilfe private Gläubiger deutlich beteiligen will. "Ich stehe ganz auf seiner Seite. Wir müssen die Haftung der deutschen Steuerzahler minimieren." Es könne nicht sein, dass Gewinne privatisiert, Verluste aber den Steuerzahlern aufgebürdet würden, sagte er und plädierte für "mehr oder weniger sanften Druck" auf private Gläubiger.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP

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