Wirtschaft

"Wir haben keine andere Wahl" Spanien erhöht Mehrwertsteuer

Die unerwarteten "Haircuts" von Ministerpräsident Mariano Rajoy erzürnen die Spanier.

Die unerwarteten "Haircuts" von Ministerpräsident Mariano Rajoy erzürnen die Spanier.

(Foto: REUTERS)

Unter dem wütenden Protest der spanischen Bevölkerung verschärft die Regierung von Ministerpräsident Rajoy den Sparkurs des Landes. Sie beschließt eine deutliche Anhebung der Mehrwertsteuer und kassiert damit ein Versprechen im Wahlkampf. Schon bald sollen weitere Sparmaßnahmen wie die Kürzung des Arbeitslosengeldes folgen.

König Juan Carlos lauscht der Kabinettssitzung in Madrid.

König Juan Carlos lauscht der Kabinettssitzung in Madrid.

(Foto: REUTERS)

Die spanische Regierung hat weitere einschneidende Sparmaßnahmen zur Senkung des hohen Haushaltsdefizits beschlossen. Sie sind Teil eines drastischen Sparpakets, mit dem in zweieinhalb Jahren bis zu 65 Mrd. Euro eingespart werden sollen. Wichtigster Baustein: Die Mehrwertsteuer wird am 1. September von derzeit 18 auf 21 Prozent angehoben. Der ermäßigte Steuersatz steigt von acht auf zehn Prozent.

Finanzminister Cristóbal Montoro sagte bei einer Pressekonferenz, die umstrittene Anhebung der Mehrwertsteuer sei unumgänglich. Als Gründe nannte er die Empfehlungen der EU-Kommission und die "absolute Priorität" einer Senkung des Haushaltsdefizits. Spanien hat sich verpflichtet, das Haushaltsloch in diesem Jahr von 8,9 auf 6,3 Prozent zu drücken. 2014 soll das Defizit unter die zulässige Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts fallen.

Versprechen gebrochen

Die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte bis vor kurzem stets versichert, dass sie die Mehrwertsteuer nicht erhöhen werde. "Wir haben keine andere Wahl", entschuldigte sich jetzt Finanzminister Montoro. Vizepräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría sagte dazu, dass die "schmerzhaften" Maßnahmen notwendig seien, um "das Land zu retten." Spanien "erlebt einen der dramatischsten Momente seiner Geschichte", betonte die Nummer Zwei der Regierung.

Als weitere Sparmaßnahme müssen die Ministerien ihre Ausgaben um zusätzliche 600 Mio. Euro drosseln. Vom 1. Januar an wird der Steuerabzug beim Wohnungskauf gestrichen. Zudem wird das Arbeitslosengeld nach den ersten sechs Monaten gekürzt. Das Weihnachtsgeld für Staatsbedienstete wird in diesem Jahr gestrichen.

Zu den nächsten großen Projekten gehört laut der stellvertretenden Ministerpräsidentin Soraya Saenz de Santamaria ein Gesetzentwurf über die Reform des Rentensystems. Auch ein Programm über Strukturreformen für das zweite Halbjahr habe die Regierung beschlossen, sagte sie. Dazu gehörten eine Reform der kommunalen Verwaltung und des Energiesektors sowie Gesetze zur Privatisierung bei Bahn, Straßen und Luftverkehr.

Anhaltende Proteste

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(Foto: dpa)

Diese und andere Sparmaßnahmen, die die Regierung bereits am Mittwoch in Aussicht gestellt hatte, haben in breiten Teilen der spanischen Bevölkerung Empörung ausgelöst. Eine Demonstration von streikenden Bergarbeitern wurde von Sondereinheiten der Polizei gewaltsam aufgelöst.

Stundenlang blockierten Hunderte Demonstranten in Madrid die Straßen. "Kürzungen für die Banker, nicht für die Arbeiter!", riefen sie vor Ministerien und öffentlichen Gebäuden. Beschäftigte der staatlichen Eisenbahn Renfe sperrten die Gleise. Mitarbeiter des lokalen öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TeleMadrid blockierten am Stadtrand eine Autobahn. Selbst einige Polizisten schlossen sich den Protesten an.

"Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben die erste Sparrunde mitgetragen, weil wir Solidarität zeigen wollten", sagte ein Krankenpfleger. "Aber jetzt ist die Grenze erreicht. Es kann nicht sein, dass es immer wieder dieselben Leute sind, die die Zeche zahlen sollen."

Hilfen für die Regionen

Bis 2014 will Spanien insgesamt 65 Mrd. Euro einsparen. Damit hofft die Regierung, sie könne Befürchtungen abwehren, das Land müsse doch noch komplett unter den europäischen Rettungsschirm schlüpfen. Bislang hat die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone nur für ihren Bankensektor Hilfen beantragt.

Die Regierung beschloss außerdem einen neuen Krisenfonds, um den 17 Regionen des Landes unter die Arme zu greifen. Bis zu 18 Mrd. Euro umfasse der Fonds, sagte Wirtschaftsminister Luis de Guindos. Es gebe eine Garantie, dass die Regionen im Bedarfsfall die Fondsmittel erhielten, sagte der Wirtschaftsminister. "Aber sie stehen weiterhin in der Verantwortung, sie zurückzuzahlen."

Quelle: ntv.de, nne/dpa/rts

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