Umstrittenes Notenbank-Gesetz Trichet kritisiert Ungarn
03.03.2011, 18:41 UhrMit dem Mediengesetz sorgt Ungarns Regierung bereits europaweit für Unmut. Doch damit nicht genug: Die Unabhängigkeit der nationalen Notenbank wird eingeschränkt. EZB-Präsident Trichet droht nun mit Konsequenzen.
Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, hat Ungarn wegen der jüngsten Änderung des Notenbank-Gesetzes scharf kritisiert und rechtliche Schritte angedroht. Die EZB sei "sehr unzufrieden" mit der Position der ungarischen Regierung zur Änderung des Notenbank-Gesetzes. Was genau er beanstande, darauf ging Trichet nicht ein.
"Jetzt überprüfen wir die Sache und erst dann entscheiden wir, welche rechtlichen Schritte optimal sind", sagte der EZB-Präsident. Als nächstes werde sich die EZB an die EU-Kommission wenden. "Ich schließe keine Möglichkeit aus", ergänzte Trichet.
Ungarn hatte kürzlich durch eine Gesetzesänderung dem Parlament ein Mitspracherecht bei der Zusammensetzung des Monetären Rats der Notenbank eingeräumt, der unter anderem über den Leitzins entscheidet. Das Parlament wird von der Regierungspartei Fidesz des Ministerpräsidenten Viktor Orban dominiert.
Notenbankchef entmachtet
Vier der insgesamt sieben Mitglieder sollen laut neuem Gesetz vom Parlament bestimmt werden. Bisher wurden zwei von ihnen vom Notenbankpräsidenten ernannt und zwei vom Regierungschef. Im sieben Mitglieder umfassenden Rat könnten künftig die vom Parlament bestimmten Mitglieder die übrigen - der Notenbank-Präsident und seine zwei Stellvertreter – überstimmen. Orban hat zwar versichert, dass es nicht zu einem abrupten Richtungswechsel in der Zinspolitik kommen werde. Doch dürfte die Chance verlockend sein, ihm genehme Kandidaten in dem Ausschuss zu platzieren
Notenbankchef Andras Simor befürchtet nun einen schleichenden Ansehensverlust unter Marktteilnehmern, die "an der Unabhängigkeit der Zentralbank zweifeln" könnten. Der oberste Geldpolitiker liegt bereits seit längerem im Clinch mit der Regierung, die drei jüngst beschlossene Zinserhöhungen jeweils heftig kritisierte. Analysten halten es daher auch für wahrscheinlich, dass das Gremium künftig weniger strikt in der Inflationsbekämpfung vorgehen wird. In Ungarn liegt der Leitzinssatz derzeit bei sechs Prozent.
Die Notenbank sieht Geldwertstabilität bei einer mittelfristigen Teuerungsrate von drei Prozent gegeben; im Januar betrug der Inflation 4,0 Prozent. Die Regierung schielt jedoch stärker auf das Wachstum. Experten schließen nicht aus, dass das am 28. März erstmals in neuer Zusammensetzung tagende Gremium ein offenes Ohr für die Wünsche der Regierung haben könnte, die Konjunktur geldpolitisch stärker zu stützen.
Der geldpolitische Streit in dem osteuropäischen Schwellenland ist auch deshalb pikant, weil Orban derzeit turnusgemäß den EU-Ratsvorsitz innehat. Der national-konservative Ministerpräsident hatte bereits mit seinem umstrittenen Mediengesetz europaweit Unmut ausgelöst. Dem Kontroll-Gesetz, in dem Kritiker eine Knebelung der freien Presse sehen, lässt Orban nun eine Beschneidung der Macht des Zentralbankpräsidenten folgen.
Quelle: ntv.de, rts/dpa