Wirtschaft

Wachstumsrate eingebrochen Was der Türkei zu schaffen macht

Blick auf Istanbul.

Blick auf Istanbul.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach Boomjahren geht es der türkischen Wirtschaft nicht mehr so gut. Die Zahl der Firmenpleiten nimmt dramatisch zu. Die Banken müssen sich auf Zahlungsausfälle einstellen. Auch die Touristen machen einen Bogen um das Schwellenland.

Viele Firmenpleiten, faule Kredite und fernbleibende Touristen: Nach einem jahrelangen Boom schrillen in der türkischen Wirtschaft die Alarmglocken. 3,5 Prozent Wachstum erwartet die Weltbank für dieses Jahr noch. Was sich im Vergleich mit Industriestaaten wie Deutschland sehr viel anhört, ist für ein Schwellenland aber eher wenig. Zu Beginn der 2000er-Jahre, als die islamisch-konservative AKP des jetzigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die Regierungsgeschäfte übernahm, waren zweistellige Raten in Sicht. Doch inzwischen mehren sich die Warnsignale, die auf einen Schwächeanfall hindeuten.

240 Unternehmen haben in diesem Jahr schon Gläubigerschutz beantragt - fast so viele wie 2015 insgesamt, wie der Datensammler sirketnews.com zuletzt bekanntgab. Eine der Firmen ist Sezon Pirinc, ein Produzent von Hülsenfrüchten, der die Zurückhaltung der Verbraucher auf dem Heimatmarkt und das schwierige Exportgeschäft im Nahen Osten spürt. "Der Hauptgrund für unseren Konkursantrag waren die Banken, die ihre Kredite vorzeitig zurückforderten", klagt Unternehmenschef Mehmet Erdogan.

Der Kreditversicherer Euler Hermes Turkey rechnet in diesem Jahr mit 14.800 Firmenpleiten. Das wären acht Prozent mehr als 2015. Zu den betroffenen Firmen gehört auch der Molkereibetrieb Aynes Gida, der eine Zahlung von rund 15 Millionen Euro nicht aufbringen konnte. Die Supermarktkette Begendik, die gerade erst die Filialen des britischen Konkurrenten Tesco  übernehmen wollte, ging ebenfalls Konkurs. Auch den Textilhändler Atalar Giyim, der auf eine rund 100-jährige Geschichte zurückblicken kann, traf es.

Bau- und Tourismusbranche leidet

Viele kleinere Firmen kämpfen ebenfalls ums Überleben. Einigen von ihnen macht der gesetzliche Mindestlohn zu schaffen, der um 30 Prozent erhöht wurde. Hinzu kommt: Viele Banken haben mehr faule Kredite in ihren Bilanzen - haben also Geld verliehen, das sie womöglich gar nicht oder nur teilweise zurückbekommen. Im ersten Quartal lag der Anteil bereits bei durchschnittlich 3,3 Prozent der gesamten Darlehen, bei kleineren und mittleren Unternehmen sogar bei 4,4 Prozent. Nicht wenige Experten gehen sogar von höheren Werten aus. "Nach meinen Berechnungen dürften es mehr als sechs Prozent sein", sagt ein Bankenanalyst, der anonym bleiben will. "Dadurch bekommen die Banken ein Gewinnproblem. Und ihr Appetit auf neue Kredite lässt nach."

Besonders in der Bau- und Tourismusbranche dürfte es mehr Zahlungsausfälle geben, sagt der Chef von Turkasset, Hilmi Guvener, der notleidende Kredite billig aufkauft. Letztere leidet unter der Terrorgefahr. Im Februar fiel die Zahl der Besucher um zehn Prozent auf 1,24 Millionen. Es war der stärkste Einbruch seit zehn Jahren. Ökonomen gehen davon aus, dass der Umsatz im Tourismus - einem der größten Wirtschaftszweige des Landes - dieses Jahr um ein Viertel zurückgehen wird. Damit dürften dem Land Einnahmen in Höhe von umgerechnet rund sieben Milliarden Euro entgehen. Im Januar wurden unter anderem bei einem Selbstmordanschlag in Istanbul zwölf deutsche Touristen getötet.

Die meisten Experten trauen der türkischen Wirtschaft deshalb keine großen Sprünge zu. "Die Wirtschaft wird keinen Krebs bekommen", so Atilla Yesilada von Global Source Partners, das ausländische Unternehmen berät. "Aber sie muss sich mit eitrigen Geschwüren herumschlagen."

Quelle: ntv.de, Asli Kandemir, rts

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