HRE-Risiken auf die lange BankWas die Bad Bank bringt
Die Hypo Real Estate soll befreit von kaum kalkulierbaren Risiken einen Neustart wagen. Für die Steuerzahler könnte das am Ende billiger kommen als eine sofortige Abwicklung. Doch die Bad Bank bringt Risiken und Nebenwirkungen mit sich.
Sonderschichten zu nächtlicher Stunde dürften bei der
Skandalbank Hypo Real Estate in den vergangenen zwei Jahren schon häufiger auf
der Agenda gestanden haben und nicht selten dürfte es um beträchtliche Summen
gegangen sein. Was die Banker nun jedoch in der Nacht zum 1. Oktober in die
Wege geleitet haben, kennt bislang kein Beispiel. Auf Knopfdruck startete die
Bank die größte Entsorgungsaktion für mögliche und tatsächliche Giftpapiere der
deutschen Finanzgeschichte. Ob die Operation glückt, steht jedoch auf einem
anderen Blatt.
Wertpapiere, Kredite und Geschäftsbereiche in einem Buchwert
von unvorstellbaren 173 Mrd. Euro wechseln in den kommenden Tagen und Wochen in
die Bücher der Bad Bank der Hypo Real Estate, der FMS Wertmanagement. Mit
diesem Schachzug nach der Maxime "Die guten ins Töpfchen, die schlechten
ins Kröpfchen" sollen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. 173 Mrd. Euro - das sind mehr als das Bruttoinlandsprodukt Portugals.
Neustart ohne Altlasten
Nach immer neuen Stützungsaktionen will die HRE die Rolle des
Getriebenen abschütteln und wieder nach vorne schauen. Dazu sollen die großen
Risiken der Bank aus der Bilanz verschwinden und so die Scheu bei Anlegern und
Geschäftspartnern gelindert werden. Vom groben Müll befreit will die HRE als
"PBB Deutsche Pfandbriefbank" künftig wieder Gewinne erzielen und so
zu einer neuen Daseinsberechtigung finden.
Zugleich kann das Management der Bad Bank versuchen, aus den
ausgelagerten Geschäften der HRE Kapital zu schlagen und so die Belastungen der
Steuerzahler durch die milliardenschwere Rettungsaktion der Bank zu mindern. Das
ist per se keine schlechte Idee, denn nicht alle Geschäfte, auch die der
skandalträchtigen irischen Tochter Depfa Bank, sind wertlos, obwohl die Bank
heute dafür keinen Käufer finden würde. So hat die HRE beispielsweise
Infrastrukturprojekte finanziert oder Kredite für Immobilien, Schiffe oder
Flugzeuge gewährt. Diese können zwar theoretisch platzen, doch kann sich die
Lage von klammen Schuldnern auch wieder bessern. Dann würden die Kredite
bedient und in die Kasse der Bad Bank fließen.
Nichts ist bei einem Verkauf jedoch so schädlich für den
Preis wie Eile. Wer mit dem Rücken zur Wand steht und dringend Geld benötigt,
wird weniger erlösen als ein Verkäufer, der auf den richtigen Zeitpunkt warten
kann. Was im Kleinen für den Autobesitzer oder Häuslebauer bei der
Zwangsversteigerung stimmt, gilt im Grundsatz auch für Finanzkonzerne, die mit
ihren komplexen Geschäften das ganz große Rad gedreht und sich dabei
heillos übernommen haben. Gerade Banken haben jedoch bei der Bewertung ihrer
Papiere keine Zeit. Sie müssen stets genügend Kapital parat haben, um
Abschreibungen wegen fallender Preise oder steigender Ausfallrisiken auszugleichen.
Die Bad Bank nimmt diesen Druck, denn sie ist keine Bank im herkömmlichen
Sinne. Ihr Zweck liegt nicht darin, dauerhaft mit dem Geld ihrer Kunden zu
arbeiten und damit Gewinne zu erzielen, sondern ausschließlich im Verkauf der
ausgelagerten Geschäfte. Deshalb ist eine Bad Bank nicht an dieselben strengen
Bilanzierungsregeln gebunden wie eine echte Bank. Die
Abwicklungsanstalt kann Marktschwankungen ohne Hektik kurzfristiger Abschreibungen verkraften. Im
Falle der HRE nimmt sie sich vorerst ganze zehn Jahre Zeit, um die
Wertpapiere gewinnbringend zu veräußern.
Voll in der Pflicht
Der große Pferdefuß: Bleibt die erhoffte Erholung für die riskanten
Papiere aus, geht dies voll zu Lasten des Steuerzahlers. Derzeit ist die Bad
Bank mit 3,8 Mrd. Euro Eigenkapital ausgestattet. Reichen die jedoch nicht
aus, muss der staatliche Bankenrettungsfonds Soffin für Verluste geradestehen.
Wie real diese Bedrohung ist, lässt sich bereits jetzt an der
Staatsverschuldung Deutschlands ablesen. Sind alle HRE-Papiere zur Bad Bank
abgeschoben, steigt die Staatsverschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung um bis zu 8,5 Punkte auf
83,9 Prozent.
Ob die Wette auf die Zukunft aufgeht, steht also in den
Sternen. Dies gilt nicht nur für die Frage, ob eine Bank am Markt wieder
ausreichendes Vertrauen gewinnen kann, nachdem sie noch wenige Jahre zuvor
beinahe das hiesige Bankensystem gesprengt hätte. Mindestens so fraglich ist,
ob die Zeiten neuer Hiobsbotschaften für die öffentlichen Finanzen mit der Bad
Bank damit nun ein Ende haben. Zumindest aber ist mit der Bad Bank eine Richtungsentscheidung getroffen worden, die eine jederzeit drohende Zuspitzung der Finanzlage einer systemrelevanten Bank verhindert. Das sollte in unser aller Interesse sein.