Wirtschaft

HRE-Risiken auf die lange BankWas die Bad Bank bringt

04.10.2010, 16:15 Uhr
imageNikolas Neuhaus

Die Hypo Real Estate soll befreit von kaum kalkulierbaren Risiken einen Neustart wagen. Für die Steuerzahler könnte das am Ende billiger kommen als eine sofortige Abwicklung. Doch die Bad Bank bringt Risiken und Nebenwirkungen mit sich.

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Nicht jede lange Bank ist auch eine Bad Bank. (Foto: REUTERS)

Sonderschichten zu nächtlicher Stunde dürften bei der

Skandalbank Hypo Real Estate in den vergangenen zwei Jahren schon häufiger auf

der Agenda gestanden haben und nicht selten dürfte es um beträchtliche Summen

gegangen sein. Was die Banker nun jedoch in der Nacht zum 1. Oktober in die

Wege geleitet haben, kennt bislang kein Beispiel. Auf Knopfdruck startete die

Bank die größte Entsorgungsaktion für mögliche und tatsächliche Giftpapiere der

deutschen Finanzgeschichte. Ob die Operation glückt, steht jedoch auf einem

anderen Blatt.

Wertpapiere, Kredite und Geschäftsbereiche in einem Buchwert

von unvorstellbaren 173 Mrd. Euro wechseln in den kommenden Tagen und Wochen in

die Bücher der Bad Bank der Hypo Real Estate, der FMS Wertmanagement. Mit

diesem Schachzug nach der Maxime "Die guten ins Töpfchen, die schlechten

ins Kröpfchen" sollen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. 173 Mrd. Euro - das sind mehr als das Bruttoinlandsprodukt Portugals.

Neustart ohne Altlasten

Nach immer neuen Stützungsaktionen will die HRE die Rolle des

Getriebenen abschütteln und wieder nach vorne schauen. Dazu sollen die großen

Risiken der Bank aus der Bilanz verschwinden und so die Scheu bei Anlegern und

Geschäftspartnern gelindert werden. Vom groben Müll befreit will die HRE als

"PBB Deutsche Pfandbriefbank" künftig wieder Gewinne erzielen und so

zu einer neuen Daseinsberechtigung finden.

Zugleich kann das Management der Bad Bank versuchen, aus den

ausgelagerten Geschäften der HRE Kapital zu schlagen und so die Belastungen der

Steuerzahler durch die milliardenschwere Rettungsaktion der Bank zu mindern. Das

ist per se keine schlechte Idee, denn nicht alle Geschäfte, auch die der

skandalträchtigen irischen Tochter Depfa Bank, sind wertlos, obwohl die Bank

heute dafür keinen Käufer finden würde. So hat die HRE beispielsweise

Infrastrukturprojekte finanziert oder Kredite für Immobilien, Schiffe oder

Flugzeuge gewährt. Diese können zwar theoretisch platzen, doch kann sich die

Lage von klammen Schuldnern auch wieder bessern. Dann würden die Kredite

bedient und in die Kasse der Bad Bank fließen.

Nichts ist bei einem Verkauf jedoch so schädlich für den

Preis wie Eile. Wer mit dem Rücken zur Wand steht und dringend Geld benötigt,

wird weniger erlösen als ein Verkäufer, der auf den richtigen Zeitpunkt warten

kann. Was im Kleinen für den Autobesitzer oder Häuslebauer bei der

Zwangsversteigerung stimmt, gilt im Grundsatz auch für Finanzkonzerne, die mit

ihren komplexen Geschäften das ganz große Rad gedreht und sich dabei

heillos übernommen haben. Gerade Banken haben jedoch bei der Bewertung ihrer

Papiere keine Zeit. Sie müssen stets genügend Kapital parat haben, um

Abschreibungen wegen fallender Preise oder steigender Ausfallrisiken auszugleichen.

Die Bad Bank nimmt diesen Druck, denn sie ist keine Bank im herkömmlichen

Sinne. Ihr Zweck liegt nicht darin, dauerhaft mit dem Geld ihrer Kunden zu

arbeiten und damit Gewinne zu erzielen, sondern ausschließlich im Verkauf der

ausgelagerten Geschäfte. Deshalb ist eine Bad Bank nicht an dieselben strengen

Bilanzierungsregeln gebunden wie eine echte Bank. Die

Abwicklungsanstalt kann Marktschwankungen ohne Hektik kurzfristiger Abschreibungen verkraften. Im

Falle der HRE nimmt sie sich vorerst ganze zehn Jahre Zeit, um die

Wertpapiere gewinnbringend zu veräußern.

Voll in der Pflicht

Der große Pferdefuß: Bleibt die erhoffte Erholung für die riskanten

Papiere aus, geht dies voll zu Lasten des Steuerzahlers. Derzeit ist die Bad

Bank mit 3,8 Mrd. Euro Eigenkapital ausgestattet. Reichen die jedoch nicht

aus, muss der staatliche Bankenrettungsfonds Soffin für Verluste geradestehen.

Wie real diese Bedrohung ist, lässt sich bereits jetzt an der

Staatsverschuldung Deutschlands ablesen. Sind alle HRE-Papiere zur Bad Bank

abgeschoben, steigt die Staatsverschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung um bis zu 8,5 Punkte auf

83,9 Prozent.

Ob die Wette auf die Zukunft aufgeht, steht also in den

Sternen. Dies gilt nicht nur für die Frage, ob eine Bank am Markt wieder

ausreichendes Vertrauen gewinnen kann, nachdem sie noch wenige Jahre zuvor

beinahe das hiesige Bankensystem gesprengt hätte. Mindestens so fraglich ist,

ob die Zeiten neuer Hiobsbotschaften für die öffentlichen Finanzen mit der Bad

Bank damit nun ein Ende haben. Zumindest aber ist mit der Bad Bank eine Richtungsentscheidung getroffen worden, die eine jederzeit drohende Zuspitzung der Finanzlage einer systemrelevanten Bank verhindert. Das sollte in unser aller Interesse sein.