Per Saldo Rein in die Schulden!
13.11.2009, 14:31 UhrEs weihnachtet schon sehr - auch in den Schaufenstern. Krise, Kurzarbeit, knapp bei Kasse? Egal, wir machen es uns auf Pump schön. Macht die Regierung doch auch!
Es gibt kein Entrinnen. Die Finanzierungsangebote sind überall. Im Radio plärrt Mario Barth ohne Pause für einen Elektrofachhandelsriesen ins Mikro. Seine frohe Botschaft: Null Prozent Weihnachtsfinanzierung, 24 Monatsraten, gültig bis zum 24. Dezember. Wechselt man den Radiosender, das Fernsehprogramm oder klickt eine neue Website an – kein Problem: Da zieht dann gleich der Möbeldiscounter nach: 0,Nix% (in Worten: Null-Komma-nichts-Prozent), 48 Monate Laufzeit, keine Gebühren, keine Anzahlung. Hat man davon genug und geht raus, um frische Luft zu schnappen, flattern einem die leichten Kreditangebote aus dem Briefkasten entgegen. Sie wissen schon: Null Zinsen, null Sicherheiten, null Anstrengung.
Diese Angebote müssen natürlich nicht per se schlecht sein. Warum nicht die Nullfinanzierung annehmen und das neue MacBook in zehn Monaten bequem abzahlen – den Gesamtbetrag kann man in dieser Zeit zum Beispiel auf einem Tagesgeldkonto parken und in Ruhe die Zinsen einstreichen. Wenn Media Markt, oder Saturn oder wer auch immer nun mal unbedingt die Kreditkosten übernehmen möchte, bitte schön! Wer über das nötige Kleingeld verfügt, kann in der Einzelhandelskrise echte Schnäppchen schlagen. Und wer gerade nicht so flüssig ist? Der kann dank der reichlichen Finanzierungsangebote das Problem erstmal nach hinten verschieben und sich auf ein schönes Weihnachten freuen. Ist es nicht genau das, was unsere neue Regierung uns vorlebt? Auch hier werden ohne Rücksicht auf Verluste riesige Haushaltslöcher aufgemacht, um das Wachstum anzukurbeln. Sparen? Das machen wir später, erstmal senken wir die Steuern und alles andere wird der Aufschwung schon richten.
Wer soll das zahlen?
Doch genau das ist die Krux. Denn wann und ob der Aufschwung kommt, ist noch gar nicht ausgemacht. Das weiß auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in ihrer ersten schwarz-gelben Regierungserklärung eine Bewährungsprobe historischen Ausmaßes für Deutschland ankündigte. Die volle Wucht der Krise werde uns erst im nächsten Jahr erreichen, auch in den öffentlichen Haushalten, stellte die Kanzlerin fest. Dass trotz dieser Einsicht im neuen Berlin an Sparmaßnahmen nicht gedacht wird, lässt Wirtschaftsexperten derzeit verzweifeln. So blättern Wirtschaftsweise den Koalitionsvertrag von vorne nach hinten durch, doch eine Antwort auf die Frage, wie die Schulden, die bei der Bekämpfung der Finanzkrise aufgehäuft worden sind, wieder abgebaut werden sollen, finden sie nicht. Frau Merkel ruft uns zwar zu: "Vorsicht, das dicke Ende kommt noch" – aber bislang handelt sie noch nicht danach.
Da wird einem angst und bange, wenn man überlegt, dass ein Mario Barth bei seiner Zielgruppe Erfolg mit seiner Werbung hat. Denn auch in diesen kleinen Verträgen steht nichts darüber, woher die Kunden das Geld für neue Flachbildschirme oder Einbauküchen nehmen sollen, wenn sie im neuen Jahr die Kurzarbeit oder gar die Arbeitslosigkeit doch noch trifft.
Das Erschreckende daran ist aber nicht nur, dass Land und Leute gleichermaßen kurzsichtig agieren, sondern auch, dass offenbar alle vergessen haben, wie die Finanzkrise angefangen hat. Mit US-Bürgern, die Häuser kauften, die sie sich nicht leisten konnten, und deren besten Freunde American Express und Mastercard hießen. Hierzulande haben wir zu Recht über die jahrelange negative Sparquote in den USA den Kopf geschüttelt. Vielleicht sollten wir uns daran erinnern, dass Sparen einst als deutsche Tugend galt – waren wir nicht sogar mal Weltmeister darin?
Quelle: ntv.de