Rest-Unsicherheit beseitigt Biohof-Keim aggressiver Typ
11.06.2011, 16:03 Uhr
EHEC-Kolonien auf Nährboden.
(Foto: dpa)
Der EHEC-Erreger an den Sprossen vom Biohof in Bienenbüttel ist exakt vom selben Typ wie der Darmkeim, an dem mehr als 30 Menschen in Deutschland gestorben sind. Das sagte der Sprecher des Bundesverbraucherschutzministeriums, Holger Eichele. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) habe bestätigt, dass es sich um das Bakterium O104:H4 handelt.
Am Freitag war der lebensbedrohliche EHEC-Typ erstmals an Sprossengemüse von dem niedersächsischen Betrieb nachgewiesen worden. Ein Labor in Nordrhein-Westfalen entdeckte den Darmkeim an Sprossen aus einer geöffneten Verpackung. Diese hatte ein Familienvater aus Königswinter bei Bonn aus dem Müll geholt, nachdem seine Frau und seine Tochter schwer erkrankt waren. Es blieb nach Angaben des Düsseldorfer Verbraucherschutzministeriums zunächst aber "ein Rest an Unsicherheit", da nur eine geöffnete und keine geschlossene Sprossen-Packung untersucht wurde. Daher nahm das BfR ergänzende Untersuchungen vor, deren Ergebnis es nun vorlegte.
Die Ergebnisse der Landesbehörden in Nordrhein-Westfalen seien mit der BfR-Analyse bestätigt, sagte Eichele. "Dieses Labor-Ergebnis ist ein weiterer wichtiger Stein in der Beweiskette, dass rohe Sprossen als wesentliche Quelle für die EHEC-Infektionen der letzten Wochen anzusehen sind." Die große Frage bleibt allerdings, wie die Keime auf die Sprossen gelangten.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hält unterdessen trotz eines Rückgangs der EHEC-Neuerkrankungen weitere Todesfälle für möglich. Bahr sagte "Bild am Sonntag": "Weitere Todesfälle sind nicht ausgeschlossen, so schmerzlich das ist. Als Bundesgesundheitsminister schaue ich deshalb besonders auf die aktuelle Situation in den Krankenhäusern." Jeder EHEC-Patient in Deutschland werde bestmöglich versorgt, versprach der Minister.
Warnung geht vor Kommerz
Der Gesundheitsminister wies Kritik am Informationsmanagement von Behörden und Politik zurück: "Natürlich habe ich Verständnis für die Betriebe, die auf ihren Gurken, Tomaten und Salaten sitzengeblieben sind. Dennoch sage ich: Der Gesundheitsschutz hat Vorrang. Wenn durch die Warnung nur ein Menschenleben nicht gefährdet wurde, so ist das im Interesse aller." Die zuständigen Behörden hätten "umsichtig gehandelt". Bahr sieht die Schuld für Unsicherheit bei den Bürgern nicht auf Seiten von Politik und Wissenschaft: "Die Verunsicherung wurde durch vielfältige Spekulationen selbst ernannter Experten geschürt. Dieser vielstimmige Chor war nicht hilfreich."
Bio-Terrorismus schloss Bahr als Ursache der EHEC-Erkrankungen aus: "Die Sicherheitsbehörden haben dafür nicht den geringsten Hinweis. Zudem sagen uns Fachleute, dass auch die Struktur des Erregers gegen eine Laborzüchtung spricht."
Nach Worten von Bahr ist die Zahl der Neuerkrankungen deutlich rückläufig. Zugleich äußerte der Minister die Hoffnung, dass der Höhepunkt der Epidemie damit erreicht sei: "Die EHEC-Welle klingt allmählich ab. Es gibt Anlass zu der Hoffnung, dass nun das Schlimmste überstanden ist." Ein Wiederaufflammen der Seuche hält der FDP-Politiker für "sehr unwahrscheinlich".
Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Reinhard Burger, meinte hingegen: "Der Ausbruch ist noch nicht vorbei." Er ermahnte die Bürger, auch weiterhin bei der Zubereitung von Mahlzeiten besonders auf die zu achten. Der Darmkeim tötete bisher mindestens 31 Menschen. Über 4000 sind bundesweit an EHEC erkrankt oder stehen unter Infektionsverdacht.
Vorrätige Sprossen vernichten
Der ins Visier geratene Hof in Bienenbüttel im Kreis Uelzen ist inzwischen komplett gesperrt und darf kein Gemüse mehr in den Handel liefern. "Nach allen bisherigen Erkenntnissen wurde auf dem Betrieb nichts falsch gemacht", sagte Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU). Deshalb müsse der Betreiber des Hofs nicht mit juristischen Konsequenzen rechnen.
Für Gurken, Tomaten und Salat gab es Entwarnung. Das Robert Koch-Institut, das Bundesinstitut für Risikobewertung, und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit teilten mit, dass die Empfehlung, in Norddeutschland auf deren Verzehr zu verzichten, aus ihrer Sicht aufgehoben werden könne. Zugleich empfehlen sie, über die üblichen Hygienemaßnahmen hinaus vorsorglich bis auf weiteres keine Sprossen roh zu verzehren. Haushalte und Gastronomiebetriebe sollten noch vorrätige Sprossen sowie möglicherweise damit in Berührung gekommene Lebensmittel vorsorglich vernichten.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts