Panorama

"Das schönste Schiff der Welt"Der "United States" droht das Aus

19.10.2015, 10:34 Uhr
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Seit fast 20 Jahren liegt das Schiff festgemacht vor Philadelphia an der US-Ostküste. (Foto: AP)

Ein legendärer Ozeanriese könnte schon bald Trennschleifern und Schweißbrennern zum Opfer fallen: Das Schiff, mit dem Marlon Brando und Marilyn Monroe über den Atlantik kreuzten, steht vor dem Ende. Eine Bürgerinitiative will den Giganten retten.

Schon der Name stand für Glamour, Fortschritt, Freiheit und eine frische Brise Seeluft: Die "SS United States" war einst das schnellste und luxuriöseste Linienschiff seiner Zeit. In den 1950er und 1960er Jahren verkehrte der Luxusliner zwischen New York und Europa. Zu den Passagieren gehörten Stars wie Marilyn Monroe, Coco Chanel und Marlon Brando. Vier US-Präsidenten überquerten den Atlantik an Bord des riesigen Passagierschiffes.

Heute dümpelt der einst stolze Dampfer am Pier 82 im alten Hafen von Philadelphia - und sieht in den trüben Fluten am Unterlauf des Delaware einem düsteren Ende entgegen: Weil die Kosten für den Unterhalt ins Geld gehe, droht dem Koloss aus Stahl die letzte Fahrt in die Abwrackwerft.

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Länger und schneller als die "Titanic": Die "United States" im Jahr 1952 auf dem Hudson vor der Skyline von Manhattan. (Foto: AP)

Seit Jahren kämpft eine Bürgerinitiative darum, die "United States" als historisches Wunderwerk seiner Zeit zu erhalten und vor der Verschrottung zu bewahren. "Es war das schönste Schiff der Welt", sagt der 82-jährige Joe Rota, der auf dem Linienschiff als Liftjunge und als Fotograf arbeitete. "Was für ein amerikanisches Symbol."

Denkmal von unschätzbarem Wert

Statt nahe der Freiheitsstatue - wo die "United States" nach Ansicht vieler ihrer Bewunderer hingehört - liegt die "United States" in Sichtweite einer Ikea-Filiale. Die Farbe blättert ab, die Schornsteine sind von der Sonne gebleicht. Im Inneren wuchert die Vegetation. Die gediegene Innenausstattung ist längst ausgebaut, beim Gang durch die kahlen Gänge unter Deck hallen die Schritte nach.

Dabei steht die "United States" für ein ruhmvolles Kapitel US-amerikanischer Seefahrtsgeschichte. Kenner setzen das Schiff in eine Reihe mit Namen wie etwa der "Majestic", der "Deutschland", der "Queen Elizabeth" oder auch die knapp 30 Meter kürzere "Titanic" - mit der sie die Verwendung im transatlantischen Passagierverkehr teilte.

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Außen Rost, innen kahle Räume, in denen Pflanzen wuchern: Die Innenausstattung der "United States" ist längst verkauft. (Foto: AP)

Tief im Bauch des Ozean-Liners schlummern ungewöhnlich mächtige Antriebsaggregate, wie sie damals nur das US-Militär besaß, um sie in Flugzeugträgern zu verbauen. Die genauen technischen Daten des Schiffs standen lange unter Geheimhaltung. Angeblich soll die "United States" in der Spitze eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 40 Knoten erreicht haben.

Gebaut wurde die "SS United States" mit Unterstützung der US-Regierung, die den Ozeanriesen im Kriegsfall als Truppentransporter einsetzen wollte. Auf ihrer Jungfernfahrt am 3. Juli 1952 brach die gut 300 Meter lange "United States" den Rekord für die schnellste Atlantiküberquerung. Drei Tage, zehn Stunden und 40 Minuten brauchte das Schiff damals von New York bis ins englische Southampton - die Bestmarke in der Kategorie der dampfkesselgetriebenen Passagierschiffe steht bis heute.

Das schnellste Schiff ihrer Klasse

Neben Southampton steuerte das Linienschiff später auch Bremerhaven an. Im April 1953 wählte Bundeskanzler Konrad Adenauer die "SS United States", um zusammen mit anderen zahlenden Passagieren zu seinem ersten Staatsbesuch in die Vereinigten Staaten zu reisen. Insgesamt beförderte der Dampfer eine Million Passagiere auf der Route zwischen den USA und Europa. Erst im November 1969 wurde das Schiff nach 400 Fahrten außer Dienst gestellt. Die Konkurrenz des aufkommenden Airline-Zeitalters machte den Betrieb zunehmend unrentabel.

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Bahnbrechend für ihre Zeit: "Die Technologie, der Komfort, die Geschwindigkeit, das Essen, alles war so perfekt." (Foto: AP)

Die "United States" bot Platz für 2000 Passagiere und tausend Besatzungsmitglieder. An Bord befanden sich drei Orchester, ein Ballsaal, zwei Kinos, 20 Aufzüge und ein Schwimmbad. "Die Technologie, der Komfort, die Geschwindigkeit, das Essen, alles war so perfekt", erinnert sich Rota. "Wir hatten nie einen Ausfall, wir waren niemals verspätet."

Legenden der Transatlantik-Route

Alles, was in der Nachkriegszeit Rang und Namen hatte, reiste mit der "United States". Sogar Leonardo da Vincis "Mona Lisa" kehrte auf dem Dampfer von einer Sonderausstellung in der National Gallery in Washington in den Louvre nach Paris zurück. Das Kunstwerk bekam Berichten zufolge eine eigene Kabine, vor der angeblich Schuhe der Größe 48 abgestellt wurden. Offenbar sollten die Passagiere glauben, dass ein sehr großer und kräftiger Mann zum Schutz des Gemäldes in der Kabine sei.

Die Tage der Passagierschifffahrt zwischen Europa und den USA waren allerdings gezählt. Bald wählten immer mehr Reisende das Flugzeug, um den Atlantik zu überqueren. Der Betrieb der "United States" lohnte sich nicht mehr. Der ausgemusterte Ozeanriese wechselte mehrfach den Besitzer, Pläne wie die Umwandlung in ein Kasino oder in ein modern ausgestattetes Kreuzfahrtschiff wurden verworfen.

Nostalgie mit Anschlussnutzung?

Im Jahr 1984 wurden die Möbel und die Innenausstattung versteigert. Seit 2011 befindet sich das Schiff im Besitz einer Bürgerinitiative, die sich unter dem Motto "Save the United States" (etwa: "Rettet die United States") für eine Erhaltung des legendären Dampfers einsetzt. An der Spitze der Bemühungen steht Susan Gibbs, Enkeltochter des Architekten William Francis Gibbs, der die "United States" einst entworfen hatte.

Die Initiative bemüht sich um Spender und Investoren, als Zukunft für den Ozeanriesen schwebt den Mitgliedern eine Nutzung der 46.000-Quadratmeter-Fläche als Hotel, Apartmentkomplex, Büro oder Museum vor.

Die Kosten für den Liegeplatz in Philadelphia betragen allerdings 60.000 Dollar im Monat. Trotz vieler Spenden aus den USA und der ganzen Welt sind die Mittel nur schwer aufzubringen. "Wir waren niemals näher dran, die 'SS United States' zu retten", sagt Gibbs. "Und wir waren niemals näher dran, sie zu verlieren."

Quelle: ntv.de, mmo/AFP

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