Panorama

Provisorische Abdichtung "Der alte Sarkophag ist brüchig"

Greenpeace-Atomexperte Smital legt im Interview mit n-tv Wert darauf, dass die Katastrophe von Tschernobyl zwar vor 25 Jahren geschah, aber vor Ort  immer noch Alltag ist. Und auch bleiben wird, weil vor allem die Probleme mit dem Sarkophag ungelöst sind.

n-tv: Tschernobyl jährt sich heute zum 25. Mal. Was hat man denn Ihrer Meinung nach aus der Katastrophe gelernt? Wenn man nach Japan guckt, nicht allzu viel, oder?

Heinz Smital bei einem Besuch vor Ort.

Heinz Smital bei einem Besuch vor Ort.

(Foto: picture alliance / dpa)

Heinz Smital: Vor 25 Jahren hat die Katastrophe in Tschernobyl begonnen, aber sie ist ja noch lange nicht vorbei. Die kontaminierten Gebiete sind etwa noch genau so groß wie 1986. Etwa fünf bis sechs Millionen Menschen müssen dort leben, und auch das Kraftwerk selber ist ja nicht in einen sicheren Zustand geführt worden. Der alte Sarkophag ist brüchig, es wird ein neuer gebaut, abseits, weil die Strahlung so hoch ist. Vor Ort kann man nicht direkt bauen. Der wird dann rübergeschoben - das größte mobile Bauwerk, das je gebaut worden ist, und auch das ist wieder nur ein Provisorium für die nächsten 50 bis 100 Jahre.

Womit haben die durch Tschernobyl am schlimmsten betroffenen Gebiete denn heute noch zu kämpfen?

Es ist so, dass dort eine zum Teil recht arme Bevölkerung ist, die von dem Boden leben muss, den sie hat. Die bauen selber an, die haben Kühe, die haben Hühner. Dadurch sind auch bei geringen Werten im Boden eigentlich schon sehr hohe Kontaminationen in Lebensmitteln. Es hängt doch sehr von der Erde ab – eine etwas saurere Erde bewirkt, dass mehr Radioaktivität tatsächlich in die Pflanzen übergeht, so dass auch Gebiete, die im Moment vielleicht gar nicht so kontaminiert wirken, sehr hoch belastete Lebensmittel hervorbringen. Darunter leiden die Leute – die Grenzwerte werden zum Teil um ein Vielfaches überschritten.

Die EU arbeitet nach wie vor daran, die Auswirkungen der Katastrophe zu bewältigen. Wann werden diese Maßnahmen denn abgeschlossen sein?

Da war jetzt unlängst in Kiew eine Geberkonferenz, wo wieder 550 Millionen Euro zusammengekommen sind – ein weiterer Baustein, um vor Ort Konstruktionen durchzuführen. Aber, wie gesagt, das Geld wird nicht reichen. Es werden die Zeiten nicht eingehalten werden können, um diese Konstruktionen fertigzustellen und selbst dann ist es nur ein Provisorium, ein Übergang für die nächsten 50 bis 100 Jahre. Das heißt, das eigentliche Kernmaterial, das hoch radioaktive Material aus dem Reaktorkern, bis das geborgen wird, das wird noch viel länger dauern und noch viel mehr kosten.

Quelle: ntv.de

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