Panorama

Münchner Kunstfund "nur die Spitze des Eisbergs"Experte rechnet mit Tausenden Bildern

06.11.2013, 13:46 Uhr

Der Münchner Kunstschatz sorgt in aller Welt für Aufregung - doch ist er nur ein Einzelfall? Laut einem Rechtsanwalt könnte es noch Tausende solcher Bilder geben, die auf der ganzen Welt versteckt sind. Der Fund bleibt voller Rätsel.

Ein israelischer Experte hält den Kunstschatz, der in einer Münchner Wohnung entdeckt wurde, für keinen Einzelfall. "Die in München gefundenen Werke sind nur die Spitze des Eisbergs", sagte der Rechtsanwalt Joel Levy der israelischen Zeitung "Haaretz".

Levy ist ein Experte für die Restitution von Kunstwerken, die während der Nazi-Diktatur Juden gestohlen wurden oder deren Besitzer zum Verkauf unter Wert gezwungen wurden. Nach seinen Informationen gab es unter den deutschen Kunsthändlern damals etwa 40, die ähnlich wie Hildebrand Gurlitt vorgingen. In der Wohnung von Gurlitts Sohn Cornelius hatte der Zoll 2012 eine sensationelle Kunstsammlung beschlagnahmt, wie erst jetzt bekannt wurde.

Wenn jeder von diesen etwa 40 Kunsthändlern über etwa 2000 Werke verfüge, "dann kommen wir auf eine riesige Anzahl von Bildern, die immer noch auf der ganzen Welt versteckt sind", meinte Levy. Er erwartet die Rückgabe von den Bildern an jüdische Erben, sollte es sich um Beutekunst handeln.

Raubkunst oder rechtmäßiger Besitz?

[kein Linktext vorhanden]Nach Einschätzung des Berliner Provenienzforschers Uwe Hartmann gehört der Kunstschatz allerdings zum großen Teil rechtmäßig dem 79-jährigen Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt. "In vielen Fällen handelt es sich nicht um NS-Raubkunst. Es muss davon ausgegangen werden, dass Herr Gurlitt rechtmäßig über diesen Besitz verfügt", sagte Hartmann.

In Gurlitts Wohnung waren rund 1400 Werke vor allem der klassischen Moderne gefunden worden, die bisher als verschollen galten. Wahrscheinlich habe sein Vater Hildebrand Gurlitt viele Arbeiten selbst gekauft und sei damit der rechtmäßige Erwerber gewesen, so der Experte. Hartmann ist Leiter der Arbeitsstelle für Provenienzforschung der Staatlichen Museen zu Berlin.

Großes Interesse in aller Welt

Der sensationelle Fund löste ein breites internationales Echo aus. "Es sind sicher Werke österreichischer Provenienz dabei", sagte der Mitbegründer des Auktionshauses im Kinsky, Otto Hans Ressler, der "Presse". Er geht davon aus, dass es Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte dauern wird, die Bilder ihren Eigentümern zuzuordnen.

Der polnische Nachrichtensender TVN 24 berichtete, dass die Münchner Generalkonsulin Justyna Lewanska bereits bei der Staatsanwaltschaft eine Liste der Bilder beantragt habe, damit die polnischen Behörden prüfen können, ob eines der Bilder in Polen geraubt wurde.

Rätsel über Rätsel

Nach wie vor ist unklar, wie die Bilder in den Besitz des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt kamen und wo sich dessen Sohn Cornelius heute aufhält. Laut "Focus" war Cornelius Gurlitt offiziell nie einer deutschen Behörde bekannt. Weder besaß er eine Steuernummer, noch zahlte er in eine Krankenkasse ein oder bezog eine Rente.

Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, wurden einige Kunstwerke offenbar bereits nach Kriegsende von den Alliierten beschlagnahmt und von 1945 bis 1950 verwahrt. Das Blatt berief sich auf ihr vorliegende Protokolle, die die Alliierten von den Befragungen Hildebrand Gurlitts zu dessen Rolle als privilegiertem Kunsthändler im Dritten Reich anfertigten.

Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa