Flugverbote sind "absolut legitim"Nächste Wolke kommt

"In den kommenden Tagen sieht es leider gar nicht gut aus", meint n-tv-Meteorologe Björn Alexander. Im Interview erklärt er, warum auch er die Flugzeuge am Boden lassen würde und warum sich gegen Ende der Woche möglicherweise alles ändert.
"In den kommenden Tagen sieht es leider gar nicht gut aus", meint n-tv-Meteorologe Björn Alexander. Im Interview erklärt er, warum auch er die Flugzeuge am Boden lassen würde und warum sich gegen Ende der Woche möglicherweise alles ändert.
n-tv.de: Wie wird sich die Verteilung der Asche über Europa weiterentwickeln?
Björn Alexander: Zum einen haben wir die Aschewolke aufgrund der ersten großen Eruption vergangener Woche. Die Wolke hat sich mit einem Hoch bei den Britischen Inseln und einem Tief über Nordskandinavien über weite Teile Europas bis herunter ans Mittelmeer verteilt ...
... und zieht nicht ab.
Genau. Denn die Wetterlage insgesamt war in den letzten Tagen relativ windschwach. Die Wolke ist in unseren Breiten daher einfach liegen geblieben und Verteilungsprozesse fanden besonders in vertikaler Richtung statt. Dadurch – so denke ich – haben sich auch in unterschiedlichen Höhen und räumlich stark verteilt unterschiedliche Konzentrationen der Aschepartikel bzw. Aerosole ergeben. Ein weiteres Anzeichen hierfür ist, dass es trotz verbreitet wolkenarmer Atmosphäre unterschiedliche Beobachtungen bei den Sonnenauf- und –untergängen gab. Diese sind bei erhöhten Aschekonzentrationen in der Luft farbintensiver. Und da das anscheinend sehr unterschiedlich beobachtet wurde – eine gewisse Objektivität und Erfahrung vorausgesetzt – würde ich schätzen, dass es eben räumlich schwankende Konzentrationsunterschiede gibt.
Bevor wir jetzt auf die aktuellen Eruptionen und die Verteilung der neuen Aschewolke kommen, noch eine Zwischenfrage: Diskutiert wird ja heftig über die Vorhersagemethoden. Und, ehrlich gesagt, auch Ihre Ausführungen zum Thema Konzentration wirken etwas unwissenschaftlich. Auf welcher Basis werden Flugverbote ausgesprochen und wie sehen Sie die Messmethoden?
Grundsätzlich dürften die Grundlagen der Berechnung der Ascheverteilung darauf beruhen, dass man einen Ort – in diesem Fall den Eyjafjalla-Gletscher auf Island –, eine emittierte Menge Aschepartikel und den vorhergesagten Wind hat. Dann setzt man sich, vereinfacht gesehen, auf einige Aschpartikel und berechnet, wie der Wind sie fortbewegt. Und das eben für jedes Höhenniveau. Wenn man dann weiß, dass ein Aschepartikel beispielsweise nach drei Tagen am Mittelmeer angekommen sein müsste, dann kann von hier aus auch die Weiterverteilung berechnet werden. Unabhängig davon, ob die Asche tatsächlich überhaupt dort angekommen ist. Im Prinzip beruhten die Flugverbote bislang hauptsächlich auf solchen Berechnungen. Und das ist aus meiner Sicht auch absolut legitim.
Genauer geht es nicht?
Es gibt natürlich noch einzelne Messmethoden, die helfen, die Aschekonzentration in der Atmosphäre genauer zu ermitteln. Problematisch dabei ist aber, dass es sich zunächst einmal um punktuelle Messungen handelt, die so natürlich nicht stellvertretend für den gesamten Luftraum sind. Besser sind Messungen mittels Flugzeugen. Das ist aber für den gesamten Luftraum einfach ein enormes Unterfangen.
Mit dem man aber doch längst hätte beginnen können?
Hier fehlt die Mess- und Erfahrungsmethodik, da ja nicht ein Dutzend Flugzeuge mit den entsprechenden Messgeräten, Personal und differenzierter Auswertungsmethodik tagtäglich darauf wartet, dass irgendwo ein Vulkan ausbricht. Das klingt vielleicht etwas zynisch, entspricht aber – nach meinem Ermessen – der Wahrheit: Wir haben es hier mit einem sehr selten auftretenden Ereignis zu tun und wenn man hierfür in den letzten Jahren ein Millionenbudget bereit gestellt hätte, dann wäre mit Sicherheit die Frage gekommen, ob man dieses Geld nicht besser in andere Bereiche investieren sollte. Auch die Kritik, dass sich die Verbote ja "nur" auf die Berechnungen eines Wetterdienstes stützen, würde ich nicht teilen. Denn zum einen glaube ich nicht, dass sich bei den unterschiedlichen Wettermodellen riesige Unterschiede ergeben würden. Zum anderen: was nützt es einem, wenn es riesige Unterschiede bei der Prognose geben sollte, wer sagt mir denn jetzt, welche Berechnung besser oder wahrer ist.
Nun aber zurück zu den aktueller Ascheausbrüchen: Was macht die Entwicklung der Wetterlage daraus?
In den kommenden Tagen sieht es hier leider gar nicht gut aus. Das Atlantikhoch, dessen Randbereich uns ein meist schönes Wochenende brachte, schwächelt. Stattdessen setzt sich mit einer starken nordwestlichen Strömung kältere Luft vom Nordatlantik bei uns durch. Und die zieht direkt über Island hinweg. Das heißt: weitere Aschewolken werden uns spätestens am Dienstag erreichen.
Was ist mit dem Regen?
Richtig, das ist ein zweiter Faktor, der bei der Konzentration eine Rolle spielt. Sicher ist, dass es über dem Nordatlantik und Island wechselhafter mit Schauern weitergeht. Allerdings kann ich die Größenordnung der möglichen Auswaschung hierdurch nicht einmal grob abschätzen.
Wird es denn in dieser Woche bei den nordwestlichen Winden bleiben?
Zunächst einmal schon. Es wird bis zur Wochenmitte mit der Nordweststörmung überall kühler. Im Laufe der zweiten Wochenhälfte allerdings wird der Wind bei uns auf Südwest drehen. Damit würde uns wärmere und aschearme bzw. –freie Luft erreichen.