"Wir können uns das nicht erklären"Unfallermittler konservieren Rettungsheli

Der Absturz eines Rettungshelikopters in der Ostsee stellt Fachleute vor ein Rätsel: Die Maschine sackte offenbar ohne jede Vorwarnung aus weniger als 150 Metern Höhe ab. Jetzt suchen Experten im Wrack nach Erklärungen.
Der Vorfall im Meer vor der Ostsee-Halbinsel Fischland-Darß-Zingst erschüttert selbst erfahrene Experten: Zwei Tage nach dem tragischen Hubschrauberunglück mit drei Toten haben Unfallermittler die Arbeit an den Überresten der Maschine aufgenommen.
Der Helikopter konnte am späten Samstagabend aus einer Tiefe von sieben Metern geborgen werden. Im Lauf des Sonntags brachte das Bergungsschiff "Arkona" die Maschine nach Warnemünde. Dort nahmen Kriminalbeamte und Experten der Braunschweiger Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) das Wrack in Empfang und konservierten es, damit durch Rost keine Spuren zerstört werden. Bis auf Weiteres bleibt die Maschine vom Typ BK-117 in einer Halle am Marinestützpunkt Hohe Düne in Rostock-Warnemünde.
Mit schnellen Ergebnissen ist - wie in solchen Fällen üblich - nicht zu rechnen. Zunächst müssten die Ergebnisse der BFU und der Rechtsmedizin abgewartet werden, sagte die Sprecherin der zuständigen Polizeidienststelle in Rostock, Carolin Henschke. Die Auswertung der Flugdaten könne mehrere Wochen in Anspruch nehmen.
Aussagen zum technischen Zustand des am Freitagabend gegen 18.40 Uhr abgestürzten Helikopters wollte sie nicht treffen. Früheren Angaben zufolge war die Maschine der DRF Luftrettung in einwandfreiem Zustand. Nach der Bergung waren am Hubschrauber Augenzeugen zufolge zumindest von außen nur wenige Schäden zu erkennen.
Speziell ausgerüstete Maschine
Der Rettungshubschrauber war erst im vergangenen Herbst am Standort Güttin auf Rügen stationiert worden, um dort für die notärztliche Versorgung von Offshore-Mitarbeitern zur Verfügung zu stehen.
Die Maschine mit dem Rufnamen "Christoph Offshore 2" war für den Einsatz über dem offenen Meer speziell ausgerüstet - unter anderem auch mit aufblasbaren Not-Auftriebskörpern an den Kufen, die die Kabine im Fall einer Landung im Wasser stabilisieren sollten. Diese sogenannten Floats müssen von Hand ausgelöst werden und blieben ungenutzt. Den beiden Piloten blieb offenbar keine Zeit, dieses Notsystem zu aktivieren.
Experten gehen daher davon, dass sich das Unglück ohne jede Vorwarnung ereignete. Die Luftkissen könnten von der Besatzung im Notfall elektrisch oder manuell aktiviert werden, hieß es. "Allein die Tatsache, dass sie nicht aktiviert wurden, spricht dafür, dass dieser Zwischenfall für die Besatzung total überraschend gekommen ist", sagte der Stationsleiter der DRF Luftrettung, Reiner Fischer. Die Luftkissen könnten seinen Angaben zufolge auch verhindern, dass ein auf dem Wasser treibender Hubschrauber - wie vor dem Darß geschehen - komplett versinkt.
Damit hätte dieses System womöglich den Tod zweier Menschen verhindern können. Der Arzt und der Assistent hätten es nicht mehr geschafft, den Hubschrauber zu verlassen, erklärte Polizeisprecherin Henschke. Unklar ist allerdings, ob die beiden Luftrettungsspezialisten nach dem Aufprall auf die Wasseroberfläche überhaupt noch bei Bewusstsein waren. Was genau sich in den letzten Sekunden vor dem Absturz in der Pilotenkanzel abspielte, ist nun Gegenstand umfangreicher Untersuchungen.
Bei dem Unfall während einer Routineübung nahe dem Windpark Baltic 1 waren drei Luftretter ums Leben gekommen: Ein 47-jähriger Notarzt aus Mecklenburg-Vorpommern, ein 45-jähriger Rettungsassistent aus Sachsen und ein 53-jähriger Pilot aus Bayern. Der 47-jährige Co-Pilot aus Rheinland-Pfalz überlebte das Unglück.
Glatte See, fünf Kilometer Sicht
Die Männer des Seenotrettungskreuzers "Theo Fischer" - die eben noch das Zusammenspiel mit der Hubschrauberbesatzung trainiert hatten - konnten die zwei Piloten, die unmittelbar nach dem Absturz im etwa vier Grad kalten Wasser trieben, schnell aufnehmen. Der Pilot erlag kurz darauf an Land seinen Verletzungen. Sein Co-Pilot kam mit Unterkühlungen davon. Er sei mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen worden, stehe aber unter Schock, hieß es. Er konnte noch nicht befragt werden.
Bei der DRF Luftrettung herrscht unterdessen Trauer und Fassungslosigkeit. Es sei einer der wöchentlichen Trainingsflüge gewesen, um die Fähigkeiten der Besatzung zu trainieren, sagte Fischer. Das Team sei sehr erfahren und routiniert gewesen. Die Übung habe am Freitag schon etwas mehr als ein halbe Stunde gedauert, bereits zweimal sei der Notarzt problemlos abgeseilt und wieder aufgenommen worden.
Beim Abfliegen sei der Hubschrauber dann in rund 1,8 Kilometer Entfernung zum Schiff aus einer Höhe von weniger als 150 Metern abgesackt. "Wir können uns das nicht erklären", sagte DRF-Stationsleiter Fischer. Der Hubschrauber sei seinen Angaben zufolge in technisch einwandfreiem Zustand gewesen. Die Wetterbedingungen waren mit einer Flugsicht von rund fünf Kilometern sehr gut, die See war spiegelglatt.