Unwetter zieht vorüber Wieder Chaos in Berlin
21.01.2007, 07:35 UhrDer Strom ist wieder da, die Züge rollen: Am dritten Tag nach dem Orkan "Kyrill" hat sich die Lage bundesweit deutlich entspannt, nur am Berliner Hauptbahnhof gab es am Sonntag wieder Chaos. Nach einer erneuten Sturmwarnung wurde der eine Milliarde Euro teure Vorzeigebau am Sonntag zum zweiten Mal binnen drei Tagen gesperrt und geräumt. Hunderte Reisende waren betroffen. Sie mussten bei Wind und Regen das Gebäude verlassen. Die Züge des Nah- und Fernverkehrs passierten den Bahnhof ohne Halt.
Die Zahl der Sturmopfer in Deutschland stieg unterdessen auf 13, nachdem ein Mann in Mühlheim am Samstag an seinen Verletzungen gestorben war.
Lücken wieder geschlossen
Weitgehend planmäßig funktionierte am Sonntag der bundesweite Zugverkehr – auch im besonders von Ausfällen betroffenen Nordrhein-Westfalen. "Essen und Bochum sind wieder am Zug. Wir fahren den Fernverkehr in NRW wieder komplett über den Regelweg und haben auch eine gute Pünktlichkeit", sagte Bahnsprecher Jürgen Kugelmann in Düsseldorf. Letzte Sperrungen gebe es noch auf einigen Regionalstrecken. In manchen Teilen des bevölkerungsreichsten Bundeslandes sei erst im Laufe der kommenden Woche wieder mit einer Normalisierung des Betriebs zu rechnen.
Und auch fast alle Haushalte in den neuen Bundesländern hatten nach den Ausfällen der vergangenen Tage wieder Strom. Die Energieversorgung könne in den nächsten Tagen jedoch stundenweise wieder abgeschaltet werden, sagte der Sprecher der E.ON Thüringer Energie AG in Erfurt. Zudem könne es noch einmal kritische Phasen geben, wenn zu Wochenbeginn der Energiebedarf durch die Industrie steige. Erneute Sturmböen behinderten am Sonntag die Reparaturarbeiten. Die Instandsetzung der defekten Leitungen und Masten werde noch Wochen dauern.
Hauptbahnhof in den Schlagzeilen
Am Berliner Hauptbahnhof sorgten am Sonntagnachmittag widersprüchliche Angaben der Bahn für Verwirrung. Zuerst hieß es, der Bahnhof sei komplett gesperrt. Wenige Minuten später korrigierte eine Sprecherin und teilte mit, dass der Zugverkehr nur im oberirdischen Teil des Bahnhofs unterbrochen sei. Im unterirdischen Bereich fließe der Verkehr jedoch weiter. Die Bundespolizei und Augenzeugen sprachen hingegen von einer kompletten Sperrung. Auch alle Geschäfte wurden in der "Kathedrale des Reisens" geschlossen. Die riesigen Plätze auf beiden Seiten des Gebäudes wurden demnach ebenfalls dicht gemacht.
Nach der ersten Sperrung in der Nacht zum Freitag hatte die Bahn bekannt gegeben, dass aus Sicherheitsgründen der Bahnhof vorerst nur bis zur Windstärke 8 in Betrieb bleiben soll. Am Sonntagnachmittag hatten die Wetterdienste neue Sturmwarnungen für Ostdeutschland mit Windgeschwindigkeiten bis zu 115 Stundenkilometern herausgegeben.
Das vor rund acht Monaten eröffnete Prestigeobjekt der Bahn war erst am späten Donnerstagabend wegen des Orkans "Kyrill" komplett gesperrt und geräumt worden. Ein tonnenschwerer Stahlträger aus der Fassade war aus etwa 40 Metern in die Tiefe gestürzt. Zwei weitere Träger hatten sich ebenfalls gelöst, waren aber nicht heruntergekracht. Verletzt wurde glücklicherweise niemand. Nach 14-stündiger Sperrung war der Zugverkehr erst am Freitagmittag wieder angerollt.
Heftig diskutiert wurden am Wochenende die Ursachen des Sturmschadens an der Fassade. Bahnchef Hartmut Mehdorn wollte sich noch nicht zum Schaden äußern. Diesen müssten Architekt und Statiker begutachten. Nur durch den Sturm war bekannt geworden, dass die mehr als 100 waagerechten Stahlträger der Fassade nicht befestigt waren, sondern aus architektonischen Gründen lediglich lose auf kleinen Verstrebungen lagern. Als Konsequenz hatte die Bahn am Samstag überraschend angekündigt, die Träger zu befestigen und zu verschweißen.
Bahnhofs-Architekt Meinhard von Gerkan zeigte sich am Sonntag "sehr erschüttert" über das Herunterstürzen des Trägers. "Das ist ein Unding, aber ich habe dafür noch keine schlüssige Erklärung", sagte der Architekt der dpa. Ein Sicherheitsrisiko durch die nicht festgeschweißten Träger sei ihm nicht bekannt gewesen. Das Stahlgerüst sei so konstruiert, dass sich die Träger eigentlich nicht bewegen könnten. "Es ist gefährlich, schon jetzt Schuldzuweisungen von sich zu geben, bevor die Ursache sicher geklärt ist", sagte der international tätige Architekt.
Die Bahn hatte einen Bericht des "Tagesspiegels am Sonntag" zurückgewiesen, wonach ein Sicherheitsrisiko am Berliner Hauptbahnhof bereits in der Planungsphase bekannt gewesen sein soll.
Quelle: ntv.de