Gewalt in Südafrika Sorge im Vorfeld der WM
27.08.2009, 08:21 UhrEin altes Problem bekommt eine neue Qualität: Kriminelle in Südafrika schrecken nicht mehr davor zurück, in den gut bewachten Einkaufszentren tätig zu werden. Im Vorfeld der Fußball-WM ist die Sorge um Sicherheit größer denn je.
Pro Tag geschehen am Kap 100 Morde oder Mordversuche.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Trotz schusssicherer Weste und Revolver am Hüftgurt hatten die Geldboten keine Chance. Als sie in einem südafrikanischen Einkaufszentrum einen Geldautomaten mit Bargeld bestücken wollten, streckte sie eine Gruppe Bewaffneter mit Kopfschüssen nieder. Einer der beiden Boten starb sofort, der andere kämpft im Krankenhaus um sein Leben. Der Überfall rüttelte die Öffentlichkeit wach: Die Menschen hatten sich zuvor in geschützten Einkaufspassagen weitgehend sicher gewähnt und dort ihr soziales Leben kultiviert. Der Ruf nach drastischeren Maßnahmen wird lauter.
Denn ein dreiviertel Jahr vor dem Anpfiff der ersten Fußball-Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden werden Südafrikas Gangster immer dreister. "Wir sind extrem besorgt über die Gewaltkriminalität und die von den Räubern bei ihren Taten verübte brutale Gewalt. Wir haben in den vergangenen Tagen eine ganze Serie solcher Raubüberfälle in Einkaufszentren erlebt", sagte der besorgte Präsident Jacob Zuma Anfang August. Innerhalb von nur einer Woche überfielen Räuber allein im Großraum Johannesburg neun Einkaufszentren. Die Opferbilanz: Drei Tote, sechs Verletzte.
Gegner notfalls erschießen
Jeder vierte Südafrikaner hat mindestens einmal eine Frau vergewaltigt.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Den Rufen nach härterem Durchgreifen der Polizei schloss sich auch deren neuer Chef Bheki Cele an - ein politisches Raubein mit Vorliebe für Stetson-Hüte und Cowboy-Allüren. Er forderte unverhohlen Gesetzesänderungen, um der Polizei ein härteres Durchgreifen der Ordnungshüter zu erlauben. Sie sollte nicht zögern, ihre Gegner notfalls zu erschießen, forderte er öffentlich.
Den Organisatoren der WM ist die neue Welle der Gewalt peinlich. Sie versuchen zu beschwichtigen, dass man zum Großereignis schon alles in den Griff bekomme. "Es wird den Kriminellen nicht gelingen, die WM auszuhebeln. Wir sind zuversichtlich, dass die WM stattfinden und erfolgreich ohne irgendein Sicherheitsproblem durchgezogen werden wird", erklärte der Sprecher des Organisationskomitees, Rich Mkhondo, dem "Sowetan" mit Hinweis auf 41.000 zusätzliche Polizisten.
Was passiert außerhalb der Stadien?
Die Frage ist jedoch, was außerhalb der besonders gesicherten Arenen passiert. Seit Jahren schon halten weder Elektrozäune noch Stacheldraht oder hohe Grundstücksmauern und bewaffnete Wächter den Anstieg der Kriminalität auf. Vor wenigen Wochen wurde der prominente Verleger Force Khashane vor seinem Haus mit sechs Schüssen getötet - die Täter entkamen unerkannt mit Handy und Laptop des Opfers.
Schlagzeilen über prominente Opfer machen deutlich, was die Menschen in dem von krassen sozialen Gegensätzen geprägten Land tagtäglich erleiden. Mit Sturmgewehren bewaffnete Banden zerstören mit militärischer Präzision nun auch die Illusion einer heilen Welt in den Ladenpassagen. Trotz gegenteiliger Beteuerungen hat die Polizei weiter arge Probleme, der Kriminalität Herr zu werden.
Beobachter sprechen zudem von zunehmender Grausamkeit der Gauner, die technisch immer ausgefeiltere Hürden zu überwinden haben. Für ein Land, in dem weder Krieg noch andere bewaffneten Konflikte ausgetragen werden, ist die Verbrechensbilanz erschreckend hoch: Pro Tag 100 Morde oder Mordversuche und 130 angezeigte Vergewaltigungen. Wie viele es genau sind, ist schwer zu sagen. Denn die Polizei veröffentlicht Statistiken nur zögernd und mit langer Verspätung. Dabei gelten selbst diese Zahlen nur als Spitze des Eisbergs. Glaubt man einer vor kurzem veröffentlichten Studie, so hat im Schnitt jeder vierte Südafrikaner mindestens einmal eine Frau vergewaltigt.
Quelle: ntv.de, Ralf E. Krüger, dpa