Weihnachtsgrüße aus der Heimat Bundeswehrsoldaten drehen Radio auf
22.12.2010, 13:24 Uhr
Beim Truppenbetreuungssender Radio Andernach wird jeder Gruß verlesen.
(Foto: picture alliance / dpa)
In der Weihnachtszeit ist der Kontakt zu Familie und Freunden für Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz besonders wichtig. Bis zu 1000 Grüße aus der Heimat sendet Radio Andernach in diesen Tagen nach Afghanistan, in den Kosovo und nach Bosnien-Herzegowina.
Die Sorge um ihren Liebsten kann Jessica nicht verbergen: „Aus weiter Ferne wünsche ich Dir eine schöne Woche. Pass weiter gut auf Dich auf! Ich liebe Dich“, heißt es in ihrem Gruß, den die Moderatorin von Radio Andernach für den Hauptgefreiten Wicht in Afghanistan vorliest.
Botschaften wie diese werden derzeit massenweise über den Truppenbetreuungssender in die Einsatzgebiete der Bundeswehr geschickt. 9000 Grüße zählt der Sender im Jahr, allein an den Weihnachtsfeiertagen dürfte ihre Zahl vierstellig sein. Dafür wird das Programm eingedampft und das Personal aufgestockt. „Da geht das dann Gruß, Lied, Gruß, Lied“, sagt Moderator Hauptmann Peer Uhlmann. „Unser Ziel ist: Jeder Gruß soll gesendet werden.“
„Geboren um zu leben“ meistgewünschtes Lied
Das Radio hat seinen Standort beim Zentrum Operative Information im 20.000-Einwohner-Städtchen Mayen in der Eifel. 75 Mitarbeiter sorgen für den Draht zu den rund 6800 Kameraden, die weltweit im Einsatz sind, in die Heimat. Schon der Blick auf die Rangliste der Wunschlieder zeige die Emotionalität im Programm, sagt der Chef vom Dienst Hauptmann Jens Krees. An der Spitze stehe in diesem Jahr die Band Unheilig mit dem Titel "Geboren um zu leben".
„Rund die Hälfte unserer Belegschaft war schon in Afghanistan. Das bringt einen deutlich weiter“, sagt Krees. Denn zum Programm gehören neben Musik, Nachrichten und Sport auch Berichte vom Einsatz in der Krisenregion. Es sei daher notwendig, den Alltag und die Hörgewohnheiten am Einsatzort zu kennen, erklärt der Hauptmann.
Auch Patrouillen sollen Grüße erreichen

Jens Krees (stehend) und sein Team senden rund um die Uhr, damit jeder Soldat erreicht werden kann.
(Foto: picture alliance / dpa)
Doch längst nicht alle Soldaten im Auslandseinsatz haben die Chance, Radio Andernach zu hören. „Die Soldaten, für die es am ärgsten nötig ist, erreichen wir leider am schlechtesten“, sagt der Krees mit Blick auf die Patrouillen und Beobachtungsposten. In der Verwaltung und in Werkstätten könne man hingegen auch mal bei der Arbeit den Sender laufen lassen. Programmwiederholungen am Abend sollen deshalb auch sicherstellen, dass jeden seine Grußbotschaft erreicht.
Seit 1974 produziert Radio Andernach, das nach seinem früheren Standort am Rhein benannt ist, ein Programm für Soldaten im Einsatz. Auch nach dem Umzug nach Mayen wurde der Name beibehalten - mit Blick auf die Geschichte der Bundeswehr, deren erste Soldaten Ende 1955 in eine Kaserne in Andernach eingerückt seien, sagt Krees. Mit dem zunehmenden Engagement der Bundeswehr im Ausland wuchs die Bedeutung des Senders.
14 Stunden Live-Sendung
Per ISDN-Verbindungen und Satellit wird heute das Rahmenprogramm übertragen, Teams vor Ort gestalten Regionalfenster wie „Guten Morgen Afghanistan“. Radio Andernach sendet rund um die Uhr - 14 Stunden davon live. Für Soldaten an abgeschiedenen Orten oder auf Schiffen wird ein Sendeformat mit den ersehnten Grüßen auf CD verschickt.
Auch Krees wurde mal von einer Radiobotschaft seiner Kumpels überrascht. „Da kriegt man schon eine Gänsehaut.“ Grüße gehen an alle Dienstgrade: Pamela schreibt dem Oberleutnant Schneider: „Wir freuen uns schon sehr, dass Du es bald geschafft hast. Du fehlst uns!“ Die Familie von Oberfeldwebel Fischer sendet: „Wir wünschen dir ein schönes Weihnachtsfest und in unseren Herzen bist du bei uns. Du bist unser Leben, wir lieben dich!“
Wenig traurige Musik im Programm
Die Inhalte hätten sich trotz der teils heftigen Gefechte nicht verändert, sagt Krees. „Die Soldaten haben ein gutes Gespür dafür, was sie wie nach Hause kommunizieren.“ Viele redeten erst nach ihrer Rückkehr „Klartext“, andere behielten das Erlebte ganz für sich.
Bei Todesfällen habe man früher mehr ruhige Musik ins Programm genommen, sagt Krees. Zuletzt jedoch seltener, obwohl neun Soldaten in diesem Jahr am Hindukusch ums Leben kamen. Wenn man den ganzen Tag lang nur traurige Musik spiele, werde man dem Betreuungsauftrag nicht gerecht, sagt Moderator Uhlmann dazu. Gefechte, Gefallene und Verwundete seien zudem „ein Stück weit Normalität“ geworden, ergänzt er. Insgesamt starben in Afghanistan bisher 45 deutsche Soldaten.
Extraschichtenzun Weihnachten
In Deutschland ist Radio Andernach normalerweise nicht zu empfangen. Medienrechtliche Gründe sprächen dagegen, heißt es. Zu Weihnachten gibt es jedoch ausnahmsweise einen passwortgeschützten Live-Stream im Internet. In dieser Zeit müssen in Mayen wegen der Vielzahl der Wünsche Extraschichten geschoben werden. Jessica wünscht sich eigentlich nur ihren Schatz nach Hause, das zeigt auch ihre Musikauswahl: „All I want for Christmas is you“ von Mariah Carey.
Quelle: ntv.de, Tobias Goerke, dpa