"Zentralistischer Führungsstil" CDU-Politiker kritisieren Merkel
10.07.2010, 10:18 UhrDie Union hat ihr Sommerlochthema gefunden: Angela Merkel. Landesfürsten und Mittelstandspolitiker lassen kein gutes Haar an der Kanzlerin. Als CDU-Chefin treffe sie ihre Entscheidungen von oben nach unten, eine Debattenkultur gebe es nicht mehr. Eine Alternative zu Merkel gebe es aber auch nicht, weil schon alle weg sind.

Der Vorwurf lautet, Merkel habe um sich herum gut aufgeräumt.
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Der Vorsitzende der Unions-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, hat den Führungsstil von CDU-Chefin Angela Merkel erneut heftig kritisiert. Er warf der Kanzlerin vor, ihre Partei inhaltlich ausbluten zu lassen. "Unter Merkel wurde der Einfluss der Partei marginalisiert. Die Folgen sind nicht zu übersehen: Unsere Mitglieder sind unglücklich, viele völlig frustriert, sagte Schlarmann dem Magazin "Der Spiegel". Von einer echten Debattenkultur könne in der CDU keine Rede mehr sein. "Im System Merkel werden Entscheidungen zentral getroffen, von oben nach unten. Das ist in einer Parteiendemokratie bedenklich."
Schon alle weg
Selbst Beiträge von Mitgliedern des CDU-Vorstandes würden von der Führung ignoriert. "Wir müssen uns daran gewöhnen, dass Frau Merkel einen zentralistischen Führungsstil pflegt", sagte Schlarmann, der selbst Mitglied des CDU-Vorstandes ist. Es gebe Gründe, wegen der Krise der CDU den Parteivorsitz vom Posten des Kanzlers zu trennen. Weil aber unter Merkel die gesamte zweite Führungsmannschaft der CDU verschwunden sei, gebe es "leider" keine Alternative zu Merkel als CDU-Chefin.

Schlarmann richtet schwere Vorwürfe an Merkel.
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Schlarmann warf Merkel vor, wichtige Führungspersönlichkeiten der CDU wie Roland Koch absichtlich an den Rand gedrängt zu haben. "Man sollte den Mut haben, Alternativen zu sich selbst zuzulassen. Frau Merkel hat diesen Mut meines Erachtens leider nicht." Mit Blick auf das Erscheinungsbild der CDU sagte der Mittelstandspolitiker: "Wo soll man da noch ein Profil erkennen?"
Als "falsch" und "nicht fair" bezeichnete es Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), die Kritik immer nur bei einer einzigen Person abzuladen. "Ich vermisse bei denen, die sich hier ständig zu Wort melden, die Bereitschaft zur Selbstkritik." Mehrere CDU-Ministerpräsidenten hatten sich kritisch über den Führungsstil von Merkel geäußert und sie aufgefordert, resoluter zu sein.
Bitte keine Steuerdiskussion
Furcht vor einer Sommerlochdiskussion hat auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der CDU-Politiker räumte Fehler in der Arbeit der Koalition ein, warnte aber zugleich vor einer Steuerdebatte in der Sommerpause. In der "Süddeutschen Zeitung" forderte Schäuble "die Kollegen aus Union und FDP dazu auf, auf die dauernden Querschüsse aus den eigenen Reihen" zu verzichten. "Es fehlt gerade noch, dass wir mitten in der Sommerpause eine Diskussion über die ermäßigten Mehrwertsteuersätze anfangen", mahnte er. Die Koalitionsführung werde im Herbst entscheiden, wie sie weiter vorgehen wolle.

"Bitte verzichten Sie auf die dauernden Querschüsse", mahnt Schäuble seine Kollegen aus Union und FDP.
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Die Einführung des Mehrwertsteuerprivilegs für Hoteliers sei zwar ein Schritt in die falsche Richtung gewesen. "Ich habe deshalb Respekt davor, wenn der FDP-Generalsekretär einräumt, dass man diesen Beschluss noch einmal überdenken sollte", sagte er. Andererseits sei fraglich, ob die Politik wirklich etwas gewinne, wenn sie eine umstrittene Entscheidung nach nur einem halben Jahr wieder zurücknimmt.
Die Schwierigkeiten beim Start der schwarz-gelben Regierung führte Schäuble unter anderem auf den Koalitionsvertrag zurück. "Wir haben im vergangenen Herbst einen Koalitionsvertrag geschlossen, von dem mir immer klar war, dass er in einigen Punkten widersprüchlich ist."
Schäuble nahm zugleich Merkel gegen Vorwürfe aus den eigenen Reihen in Schutz. Merkel sei zwar der eher abwägende Typ, habe aber herausragende Eigenschaften. Sie habe viel besser als fast alle ihrer Kritiker verstanden, wie rasch sich die Welt verändere und was das für die Politik bedeute.
Union unter 40 Prozent
Schwarz-Gelb ist in Umfragen nicht zuletzt wegen andauernder Querelen, gegenseitiger Beschimpfungen und Auseinandersetzungen in Sachthemen in der Gunst der Bürger unter 40 Prozent gefallen. Vertreter der Koalition hatten sich gegenseitig als "Rumpelstilzchen", "Wildsäue" und "Gurkentruppe" beschimpft.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP