Biographie über Guttenberg Die Maske des Blenders
01.03.2011, 09:43 Uhr
Das Leben eines adligen Stammhalters: Die Biographie erzählt den Aufstieg Guttenbergs und könnte zugleich seinen Fall ankündigen.
(Foto: dapd)
Inmitten der Plagiatsaffäre erscheint eine Biographie über Verteidigungsminister Guttenberg. Obwohl das Buch längst fertig war, ist es die Geschichte zum Skandal: Guttenberg als "Sonnenbub", erfolgreich durch Herkunft und Auftreten. Das Leben als große "Souveränitäts-Show".
Als die Fußnoten-Affäre über Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hereinbrach, war das Buch gerade fertig. "Ich saß am Klavier und bekam eine SMS von unserem Lektor", erzählt Eckart Lohse. "Dann folgte ein Anruf aus meinem Büro, dass das erste Exemplar des Buchs fertig sei." Mehr als ein Jahr hatte der FAZ-Journalist mit seinem Kollegen Markus Wehner über Guttenberg recherchiert und geschrieben. Und als ihr 400-Seiten-Werk endlich fertig war, drohte es von den Ereignissen überrollt zu werden. "Die Nachricht kam wirklich überraschend", sagt Wehner. "Wir haben aber im Buch einige Fährten gelegt, die es ein bisschen weniger überraschend machen, was wir in den vergangenen Tagen erlebt haben."
Denn natürlich ist es die Affäre um Guttenbergs Doktorarbeit, die das Buch nun so interessant und brisant werden lässt. Eigentlich wollte es CSU-Chef Horst Seehofer persönlich vorstellen. Doch als die Plagiatsaffäre immer weiter kochte, wurde ihm die Sache zu heiß und er sagte ab. "Als CSU-Vorsitzender möchte ich, dass wir mit der Angelegenheit zurückhaltend und verantwortlich umgehen und ab sofort keine weiteren Debatten über die Sache führen", ließ er kurzfristig mitteilen. Dem Interesse tat das keinen Abbruch. Hunderte Journalisten sind am Montagabend zur Vorstellung in den Ballsaal des Berliner Luxushotels Adlon gekommen, in der Hoffnung, im Leben Guttenbergs eine Erklärung für sein Verhalten zu finden.
"Mythos Adel"
Die beiden Autoren vorne auf der Bühne geben sich alle Mühe, diesen Erwartungen gerecht zu werden. "Guttenberg ist im Bewusstsein aufgewachsen, Teil einer Elite zu sein", sagt Wehner. Er habe in jedem Bereich großartig sein wollen, auch dort, wo er es eigentlich nicht konnte. "Das haben wir nun mit brutaler Deutlichkeit gesehen." Guttenberg habe es offenbar als Makel empfunden, kein Volljurist zu sein. In eben dieses Bild passt auch der geschönte Lebenslauf, in dem Praktika zu "beruflichen Stationen" und unternehmerische Erfahrungen übertrieben werden. "Ich habe den Eindruck, dass er viel mit der Blattgold-Spraydose unterwegs ist", sagt Lohse.
Die Autoren holen in ihrem Buch weit aus, um Guttenberg, sein Auftreten und Handeln zu erklären. Dafür begeben sie sich bis in die feinsten Verästelungen des Adelsgeschlechts zu Guttenberg und seine Geschichte bis 1158. Es geht um den "Mythos Adel", der Guttenberg und seinesgleich noch immer umgibt. Aber auch um die Ansprüche, die sich aus seiner Abstammung ergeben. Insbesondere für einen "Stammhalter" wie Karl-Theodor zu Guttenberg. Beleuchtet wird auch das "schwierige Verhältnis" zu Vater Ennoch, der seinen Sohn einen "Sonnenbub" nennt: "Du bist auf dem Sonnendeck der Titanic geboren", habe er zu Guttenberg oft gesagt.
Blick hinter die Maske
Die Biographie liefert ein umfassendes Bild Guttenbergs als Mensch und Minister. Ausgehend von seiner adligen Herkunft, über seine Kindheit und Jugend bis hin zur Politik und der Arbeit als Minister zeichnen die Journalisten sein Leben nach. Sie haben Guttenberg begleitet, mit ihm und seiner Familie aber auch Soldaten gesprochen. "Kritisch, aber fair" wollen Lohse und Wehner sein, als Redakteure der FAZ sind sie einer politischen Kampagne unverdächtig. Trotzdem nehmen die Autoren mit ihrem Buch Guttenberg die Maske ab. Sie zeigen ihn als von Herkunft und Ehrgeiz Getriebenen, der immer etwas Besonderes sein wollte, doch nicht so recht wusste, wie. Einer, der eher zufällig zur Politik kam und schnell merkte, wie er mit Worten und Erscheinung glänzen kann. Und der gerne mal blendet, um den Glanz noch zu erhöhen.

"Rücktrittsdrohungen to go": Guttenberg kokettiert gern mit seiner Unabhängigkeit von Politik.
(Foto: dapd)
Auch wenn die Biographie "Stärken und Schwächen" Guttenbergs aufzeigen will: Die Plagiatsaffäre lässt das Buch wie eine Entlarvung erscheinen. Etwa was die Medienstrategie des CSU-Shootingstars angeht. "Guttenberg und seine Truppe, zu der von Anfang an seine Frau gehört, zielen auf ein Publikum, das Politiker in erster Linie über Fernseh-Talkshows, Hochglanzzeitschriften oder höchstens noch Boulevardmedien wahrnimmt", schreiben die Autoren. Oder seine "Rücktrittsdrohungen to go": So oft wie kein anderer Politiker kokettiert Guttenberg mit dem Rückzug aus der Politik. Lohse und Werner nehmen ihm das "Ich-kann-auch-anders-Stakkato" aber nicht ab, nenne es eine "Souveränitäts-Show". "Guttenberg hat ja nicht wie Friedrich Merz einen anderen Beruf, den er wieder ausüben könnte", sagt Lohse bei der Vorstellung im Adlon. Der Minister hänge stärker an seinem Amt, als er sein Publikum glauben lasse.
Das Guttenberg-Prinzip
Die Autoren zeigen auch, dass der schnelle Meinungswechsel ein unabdingbarer Bestandteil des Politikers Guttenberg ist, im Guten wie im Schlechten. Politischer Instinkt zeichne ihn aus. Guttenberg Gespür für den "Kairos" – den günstigen Zeitpunkt – sei entscheidend für den Erfolg seiner Karriere. Er erkenne schnell, was politisch notwendig ist. Die Kehrseite der Medaille zeige sich bei Affären wie dem Kundus-Luftangriff oder der "Gorch Fock": "Die erste Meinung des Ministers kommt immer sehr schnell, auch wenn sie sich dann dreimal ändert", sagt Lohse. Verantwortung werde dann erst auf andere abgewälzt, um schließlich doch Fehler zuzugeben, damit der Skandal als beendet erklärt werden könne.
Im Fall der Plagiatsaffäre funktioniert dieses Prinzip freilich nicht, weil es keinen gibt, den Guttenberg verantwortlich machen kann. "Jetzt geht es um Fehler der Person, das hat nichts mit politischem Handeln zu tun", sagt Wehner und widerspricht damit der Argumentation von Kanzlerin Angela Merkel, die zwischen dem Menschen und Minister Guttenberg trennen will.
Eine Festlegung, ob Guttenberg die Affäre durchsteht, wagen die Autoren nicht. Dass Guttenberg sich und sein politisches Muster aber wegen der Vorwürfe ändern wird, glauben sie nicht. "Das hieße ja, er würde zu einem langsamen, bedächtigen Politiker werden", sagt Lohse. "Das könnte er gar nicht." In der zweiten Auflage ihrer Biographie, die nun um die Plagiatsaffäre aktualisiert erscheint, wagen sie dann aber doch eine Prognose: "Ganz gleich, wie die Sache ausgehen wird: Die Geschichte von Guttenberg und den Deutschen ist noch nicht zu Ende."
Quelle: ntv.de