EU-Beitrittsgespräche Erdogan bringt zweite Volksabstimmung ins Spiel
25.03.2017, 19:06 Uhr
Erdogan spricht zu seinen Anhängern in Antalya.
(Foto: AP)
Es ist ein Affront gegen die Europäische Union: Nach dem Referendum über mehr Machtbefugnisse erwägt der türkische Präsident Erdogan eine weitere Abstimmung - über die EU-Beitrittsgespräche.
Angesichts der angespannten Beziehungen mit der EU hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ein Referendum über den Beitrittsprozess seines Landes ins Spiel gebracht. "Was die (Beitritts-) Verhandlungen anbelangt, könnten wir den Weg eines Referendums nehmen und der Entscheidung folgen, die die Nation trifft", sagte der Präsident bei einem britisch-türkischen Forum in Antalya.
Nach Erdogans Worten könnte ein solches Referendum nach dem Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems am 16. April abgehalten werden. Er hatte eine Volksbefragung zu den Beitrittsgesprächen mit der EU bereits im vergangenen Jahr als eine Möglichkeit erwähnt.
Kurz zuvor hatte Erdogan ebenfalls am Samstag bei einer anderen Veranstaltung gesagt, die EU würde ihm "die Arbeit erleichtern", wenn sie selbst beschließen würde, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen. Er fügte hinzu, dass ein "Ja" zu seinem Präsidialsystem am 16. April einen "Bruchpunkt" mit der EU bedeuten würde. Der Ausgang des Referendums zum Präsidialsystem ist offen, Kritiker lehnen es als eine Zementierung der autoritären Staatsführung Erdogans vehement ab.
Erdogan bleibt bei Todesstrafen-Plänen
Zudem betonte Erdogan in Antalya, dass er internationale Konsequenzen für die von ihm favorisierte Wiedereinführung der Todesstrafe akzeptieren würde. Wenn die EU erkläre, für eine Türkei mit Todesstrafe sei in der Union kein Platz, sei dies so, sagte Erdogan in Antalya. Er werde eine Entscheidung des Parlaments für die Todesstrafe bestätigen, sagte er.
Nach dem gescheiterten Putschversuch im Juni 2016 hat Erdogan mehrfach die Wiedereinführung der Todesstrafe ins Spiel gebracht. Die EU hat deutlich gemacht, dass der Beitrittsprozess der Türkei damit beendet wäre.
Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei ist seit Wochen wegen des Verbots von Wahlkampfauftritten in europäischen Ländern vor dem türkischen Verfassungsreferendum angespannt. Erdogan hatte die EU deshalb mehrfach scharf angegriffen und Deutschland und den Niederlanden "Nazi-Methoden" vorgeworfen.
Der türkische Präsident hatte am Mittwoch gesagt: "Wenn ihr euch weiterhin so benehmt, wird morgen kein einziger Europäer, kein einziger Westler auch nur irgendwo auf der Welt sicher und beruhigt einen Schritt auf die Straße setzen können." Die Türkei rufe die EU auf, Menschenrechte und Demokratie zu respektieren, fügte Erdogan hinzu.
Die letzte Hinrichtung in der Türkei fand 1984 statt. Danach haben wechselnde türkische Regierungen die Möglichkeiten einer Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe immer stärker eingeschränkt und sie 2006 ganz abgeschafft.
Quelle: ntv.de, dsi/dpa/rts