Politik

Interview mit Hans-Peter Friedrich "Flüchtlinge halten Bootsfahrt für legal"

Lebensgefährlich: die Überfahrt mit den völlig überfüllten Schlepperbooten.

Lebensgefährlich: die Überfahrt mit den völlig überfüllten Schlepperbooten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Was tun gegen das Massensterben im Mittelmeer? CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich fordert eine umfangreiche Aufklärungskampagne in Afrika. Die Flüchtlinge hätten vielfach völlig falsche Vorstellungen, was sie auf den Booten erwartet.

n-tv.de: Welche Verantwortung trägt Europa für das Unglück im Mittelmeer?

Hans-Peter Friedrich war bis Ende 2013 Bundesinnenminister.

Hans-Peter Friedrich war bis Ende 2013 Bundesinnenminister.

(Foto: picture alliance / dpa)

Hans-Peter Friedrich: Wenn die europäische Politik ihre Maßstäbe ernst nimmt, muss sie sich um dieses Problem kümmern. Die Europäische Union muss gemeinsam dafür sorgen, dass die Menschen diese unsicheren Boote der Schlepperbanden gar nicht erst besteigen.

Wie soll das gehen?

Wir müssen die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern verbessern, das ist die Aufgabe der Entwicklungspolitik. Außerdem gilt es, Fluchtalternativen innerhalb Afrikas zur Verfügung stellen. Das heißt: Wer aus Krisengebieten flieht, muss die Möglichkeit haben, auch in Afrika sichere Unterkünfte zu finden. Die Europäische Union muss dort Flüchtlingslager schaffen. Wer politisch verfolgt ist und nach unseren Rechtsvorschriften Asyl genießen kann, muss die Möglichkeit haben, Schutz in Europa zu finden - also ganz legal und ohne vorher auf solche Boote steigen zu müssen.

Wird damit verhindert, dass so viele Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken?

Die Schlepper setzen alles daran, dass in Afrika völlig falsche Vorstellungen bestehen. Das muss zurechtgerückt werden. Wir müssen die Schlepperbanden als organisierte Kriminalität bekämpfen und ihnen das Wasser abgraben, indem wir in Afrika eine möglichst breite Aufklärung darüber durchführen, unter welchen Bedingungen man nach Europa kommen darf. Man muss den Menschen Illusionen nehmen, die ihnen gemacht werden. Wer illegal einreist, muss wissen: Er begibt sich in Lebensgefahr und wird trotzdem wieder abgeschoben. Diese Botschaft muss klipp und klar sein.

Das Risiko Mittelmeer gibt es ja nicht erst seit ein paar Wochen. Unter Flüchtlingen müsste sich das also herumgesprochen haben. Dennoch ist die Not offenbar stärker.

Ich glaube das nicht. Man hört häufig, dass sich die Menschen nicht darüber im Klaren waren, welche Gefahren auf sie warten. Viele glauben, es handele sich um eine ganz legale Bootsüberfahrt. Die Schlepperbanden nutzen jede Möglichkeit, um ihr Geschäft zu betreiben. Es gibt sogar Gerüchte, wonach sie gezielt Boote in Seenot bringen, um den politischen Druck auf Europa zu erhöhen und noch mehr schleusen zu können.

Die Grünen fordern ein europäisches Seenotrettungsprogramm. Was halten Sie davon?

Das setzt an den Symptomen an. Wichtiger ist es, das Problem an der Wurzel zu packen. Wir sollten den Einsatzbereich der europäischen Kräfte als auch der italienischen Marine erweitern. Gemeinsam muss man vor den Küsten Afrikas dafür sorgen, dass die Boote gar nicht erst auslaufen beziehungsweise sofort wieder zurückkehren müssen und die Menschen in Afrika untergebracht und versorgt werden.

In diesem Jahr sind bereits mehr als 80.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Die Politik scheint darauf nicht gut vorbereitet zu sein. Wie könnte eine sinnvolle Flüchtlingspolitik aussehen?

Wir müssen das zu einer europäischen Angelegenheit machen. Mit Italien, Schweden, Frankreich, Ungarn und Deutschland haben wir fünf Länder, die besonders belastet sind. Dort gibt es viele Flüchtlinge, in anderen EU-Staaten fast gar keine. Die Asylberechtigten muss man solidarisch gleichmäßig innerhalb Europas verteilen. Die Standards für die Aufnahme sind bereits in etwa einheitlich, aber die Regeln müssen natürlich auch umgesetzt werden. Wir brauchen eine europäische Flüchtlingskonferenz, wo sich alle Mitgliedsstaaten dieser Problematik annehmen. Die EU ist gefordert – außenpolitisch, innenpolitisch und sicherheitspolitisch.

Mit Hans-Peter Friedrich sprach Christian Rothenberg

Quelle: ntv.de

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