Politik

Mütter von Srebrenica gescheitert Gericht weist Klage ab

UN-Blauhelmsoldaten können nach dem Urteil eines niederländischen Gerichts rechtlich nicht dafür belangt werden, dass sie das Massaker von Srebrenica 1995 nicht verhindert haben. Die Unangreifbarkeit und die weltweite öffentliche Bedeutung der UN hätten Vorrang vor den Interessen der Angehörigen der Opfer.

Eine bosnische Muslimin trauert über einem der Särge in der Potocari-Gedenkstätte in Srebrenica während der Beisetzung von 308 Opfern des Völkermords (Archivfoto 2008).

Eine bosnische Muslimin trauert über einem der Särge in der Potocari-Gedenkstätte in Srebrenica während der Beisetzung von 308 Opfern des Völkermords (Archivfoto 2008).

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Vereinten Nationen müssen sich für den unter ihren Augen begangenen Völkermord von Srebrenica auch künftig nicht juristisch verantworten. Ein Berufungsgericht in Den Haag bekräftigte, dass die Weltorganisation Immunität genieße und nicht vor Gerichten einzelner UN-Mitgliedstaaten verklagt werden könne. Die Unangreifbarkeit und die weltweite öffentliche Bedeutung der UN hätten Vorrang vor den Interessen der Angehörigen von Opfern der Srebrenica-Massaker im Jahre 1995. Damit bekräftigte das Gericht das Urteil vom Juli 2008 in zweiter Instanz und wies erneut die Klage zurück, mit der etwa 6000 Hinterbliebene eine Entschuldigung der UN sowie Schadenersatz anstreben.

Die Anwälte der Hinterbliebenen des Srebrenica-Massakers wollen gegen das jüngste Urteil Einspruch vor dem Obersten Gerichtshof der Niederlande einlegen. Ziel sei es, dass der Fall letztendlich an den Europäischen Gerichtshof verwiesen werde, erklärten die Anwälte Marco Gerritsen und Axel Hagedorn.

"Schutzzone" ohne Schutz

Der Screenshot vom niederländischen Fernsehen zeigt holländische UN-Soldaten in Potocari vor Hunderten von moslemischen Zivilisten, die aus dem nahegelegenen Srebrenica geflüchtet sind (Archivfoto 1995).

Der Screenshot vom niederländischen Fernsehen zeigt holländische UN-Soldaten in Potocari vor Hunderten von moslemischen Zivilisten, die aus dem nahegelegenen Srebrenica geflüchtet sind (Archivfoto 1995).

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Klage der "Mütter von Srebrenica" ist in Den Haag anhängig, weil die Niederlande seinerzeit die Soldaten für die UN-Truppe in der Region rings um Srebrenica stellten. Bei dem Massaker töteten serbische Soldaten praktisch vor den Augen der niederländischen UN-Blauhelme etwa 8000 bosnisch-muslimische Jungen und Männer. Die UN-Soldaten waren eigentlich extra für den Schutz der muslimischen Bevölkerung in Srebrenica stationiert worden. Hinterbliebene werfen dem niederländischen Staat und den Vereinten Nationen deshalb vor, eine Mitschuld an dem Massaker zu tragen.

Die Niederlande erklärten, die Truppen hätten kein ausreichendes UN-Mandat für eine aktive militärische Verteidigung und seien dafür auch nicht stark genug. Ihre Soldaten seien von den Vereinten Nationen im Stich gelassen worden, weil keine Unterstützung aus der Luft genehmigt worden sei. Bei dem Urteil vom Dienstag ging es nur um die Vorwürfe gegen die UN.

Ex-US-General entschuldigt sich

Ein früherer US-General hat inzwischen seine abfällige Behauptung bedauert, der Fall von Srebrenica und der darauffolgende Völkermord seien wegen der Anwesenheit von Schwulen in den niederländischen UN-Truppen nicht verhindert worden. Der Ex-General der US-Marineinfanterie John Sheehan bat dafür in einer E-Mail um Verzeihung, bestätigte ein Militärsprecher in Den Haag.

Der pensionierte NATO-Kommandeur Sheehan hatte am 18. März vor einem Senatsausschuss in Washington angedeutet, die Kampfmoral holländischer Blauhelmtruppen im Balkankrieg habe darunter gelitten, dass es in ihren Reihen Schwule gab. Deshalb seien die Niederländer 1995 nicht bereit gewesen, die von bosnisch-serbischen Truppen bedrängte Muslim-Enklave Srebrenica zu verteidigen. Die Äußerungen hatten weithin Empörung ausgelöst, auch in den USA.

Serben fühlen sich nicht schuldig

Milosevic starb 2009 während seines UN-Kriegsverbrecherprozesses in Den Haag - ohne Urteil.

Milosevic starb 2009 während seines UN-Kriegsverbrecherprozesses in Den Haag - ohne Urteil.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

In Belgrad begann derweil eine Parlamentsdiskussion über eine Entschuldigung für das Massaker durch die serbische Armee, das als das größte Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg gilt. Die Regierungsparteien hatten die entsprechende Resolution bereits im Vorfeld deutlich entschärft, um ihrer Annahme überhaupt eine Chance zu geben. Die Opposition lehnte die Vorlage ab, weil damit die Serben als "ewig Schuldige" in die Geschichtsbücher eingingen. Die Resolution stelle eine "Beschmutzung des eigenen Staates" dar und sei "ein Verbrechen", kritisierten Abgeordnete der Opposition.

Die Regierungskoalition hatte das Wort "Völkermord" aus dem Resolutionsentwurf gestrichen, um die Zustimmung der Sozialisten des früheren serbischen Autokraten Slobodan Milosevic zu erreichen. Auch Milosevic selbst, der als Drahtzieher aller Kriege beim Auseinanderfallen Jugoslawiens gilt, wird in dem Entwurf nicht erwähnt, weil einige seiner einstigen engen Mitarbeiter heute wieder in wichtigen Ministerien regieren.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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