Politik

Betreuungsgeld könnte teurer werden In der Koalition kracht's

Der hitzige Streit über das geplante Betreuungsgeld bekommt frische Nahrung. Laut einem Zeitungsbericht könnten die Kosten für das Vorhaben deutlich höher ausfallen als erwartet. Zugleich distanzieren sich immer mehr Unions-Politiker von dem als "Herdprämie" verschmähten Projekt.

Die Kosten für das umstrittene Betreuungsgeld könnten einem Bericht zufolge deutlich höher ausfallen als von der Regierung geplant. Berechnungen der "Financial Times Deutschland" zufolge könnten jährlich Eltern von rund 1,1 Millionen Kindern die geplante Zahlung in Anspruch nehmen. Das sind laut dem Bericht rund 445.000 mehr als nach den Plänen der Regierung. Vor allem der schleppende Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige treibe die Kosten für das Betreuungsgeld in die Höhe. Wenn es an Kita-Angeboten mangele, würden auch die Eltern auf die Barzahlung pochen, die ihr Kind nicht aus Überzeugung zu Hause betreuen wollten.        

Nach Angaben des Familienministeriums ist das Betreuungsgeld im Finanzplan des Bundes im Jahr 2013 mit 400 Millionen Euro eingeplant, danach mit jährlich 1,2 Milliarden Euro. "Das ist sehr knapp gerechnet und liegt am unteren Rand unserer Schätzung", sagte Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) der Financial Times Deutschland. Das ZEW geht demnach von Kosten in Höhe von rund zwei Milliarden Euro jährlich aus, da nicht genügend Betreuungsplätze zur Verfügung stehen.

Widerstand wächst

In der Unionsfraktion wächst derweil der Widerstand gegen das Betreuungsgeld. Der CDU-Abgeordnete Jürgen Klimke erklärte laut dem "Hamburger Abendblatt" in einem Brief an Fraktionschef Volker Kauder, er trage die von 23 CDU-Parlamentariern in einem gemeinsamen Schreiben vorgetragene Kritik mit. Das Betreuungsgeld bedeutete für einen großstädtischen Wahlkreis wie seinen in Hamburg eine Fehlsteuerung von Sozialleistungen. Die voraussichtlichen Kosten fehlten in Zeiten von Haushaltskonsolidierung an anderer Stelle, vor allem bei Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur.

100 Euro monatlich, wenn das Kind nicht in die Kita geht. Wer würde da nicht zugreifen?

100 Euro monatlich, wenn das Kind nicht in die Kita geht. Wer würde da nicht zugreifen?

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Norbert Barthle, regte eine Verschiebung an. "Ich kann mir vorstellen, die Leistung zu beschließen, sie aber später als geplant auszuzahlen", sagte er der Berliner "Tageszeitung". Nach Ansicht von Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt geht das Vorhaben in eine völlig falsche Richtung. "Das Betreuungsgeld ist nach meiner Überzeugung grundverkehrt. Ich hoffe sehr, dass die Koalition von diesem unsinnigen Vorhaben Abstand nimmt", sagte er der "Bild"-Zeitung. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund verlangte ebenfalls, auf das Projekt zu verzichten. "Solange der Ausbau der Kindergartenplätze nach wie vor unterfinanziert ist, sollten zusätzliche Mittel besser dafür eingesetzt werden", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg "Handelsblatt Online".

Damit gerät das geplante Gesetz mehr und mehr in Gefahr. Neben den nunmehr 24 CDU-Abgeordneten, die mit einem Nein im Bundestag drohen, ist das Vorhaben auch bei der FDP umstritten. . "Das Betreuungsgeld passt nicht in die Zeit", sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring der "Passauer Neuen Presse". "Wenn die Union dieses Projekt aufgibt, werden wir nicht im Wege stehen." Die CSU beharrt dagegen darauf, das Projekt umzusetzen. Rückdeckung bekommt sie von Angela Merkel. Die Kanzlerin hält trotz des Widerstands in ihrer eigenen Partei am Betreuungsgeld fest. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Bundesregierung stehe zu dem, was die Koalitionspartner CDU, CSU und FDP im vorigen November erneut beschlossen hätten.

Kauder fordert Stille

Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte, er rechne mit einem Kompromiss. Zugleich forderte er die Kontrahenten auf, sich dazu nicht mehr öffentlich zu äußern. "Bei der Ausgestaltung eines Betreuungsgeldes werden wir eine Lösung finden, die auch von Kritikern mitgetragen werden kann", erklärte er in einer Mitteilung. Er ging darin nicht darauf ein, wie diese Lösung aussehen könnte.

Kauder mahnte: "Ich fordere alle auf, diesen Beratungsprozess intern zu halten und nicht mit öffentlichen Erklärungen zu erschweren." Er rate dazu, "die Diskussion zu beenden und nicht das Geschäft des politischen Gegners zu betreiben".

Selbst Mehrheit der Unionswähler gegen Betreuungsgeld

Der Gesetzentwurf soll bis Ostern im Bundesfamilienministerium fertiggestellt sein und anschließend in die Abstimmung gehen. Die Leistung soll ab 2013 an Eltern gezahlt werden, die ihre Kinder nicht in eine Kita geben. Zunächst sollen es 100 Euro, später 150 Euro monatlich geben. 2013 sind im Bundeshaushalt 400 Millionen Euro dafür eingeplant. Ab 2014 sollen es jährlich 1,2 Milliarden Euro sein.

Nach einer repräsentativen Umfrage des Kölner Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa sehen die meisten Anhänger der Union und der Koalition wie die Gesamtbevölkerung das geplante Betreuungsgeld kritisch.

Danach erwarten mehr als zwei Drittel der Sympathisanten von CDU/CSU und FDP (72 Prozent), dass ärmere oder sogenannte bildungsferne Eltern dadurch abgehalten werden, ihr Kind in eine Kita oder eine andere Betreuungseinrichtung zu schicken. Für die meisten Unions-Wähler wäre es auch sinnvoller, die für das staatliche Betreuungsgeld eingeplanten Mitteln in den Kita-Ausbau zu stecken.

73 Prozent der Bevölkerung erwarten, dass viele Kinder etwa aus Migrantenfamilien deswegen zu Hause bleiben und so nicht ausreichend gefördert werden. Lediglich 17 Prozent sind gegenteiliger Ansicht.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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